Kohl und die Kohle

BERLIN. Möglicherweise muss sich Ex-Kanzler Helmut Kohl bald erneut einem Untersuchungsausschuss stellen: SPD und Grüne wollen die Geschäftsbeziehungen zwischen Kohl und dem dem gescheiterten Medien-Mogul Leo Kirch beleuchten. Für sie gibt es Hinweise auf "nachträgliche Bezahlung von Regierungshandeln".

In den Fraktionen von SPD und Grünen werden Überlegungen angestellt, in Nachfolge des Spenden-Untersuchungsausschusses abermals ein solches Gremium einzusetzen. Klärungsbedürftig sei die Frage, welchen Charakter die kürzlich bekannt gewordenen Beraterverträge zwischen Kohl und seinen Ex-Ministern Theo Waigel (CSU), Wolfgang Bötsch, Christian Schwarz-Schilling, Rupert Scholz (alle CDU) und Jürgen Möllemann (damals FDP) mit Kirch gehabt haben, sagten die Abgeordneten Frank Hofmann (SPD) und Christian Ströbele (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Ströbele sprach von "gravierenden Hinweisen", die den dringenden Verdacht "der nachträglichen Bezahlung von Regierungshandeln" nahe legten. Konkret geht es um Geschäftsbeziehungen, die Kohl zwischen 1999 und 2002 (er war damals noch CDU-Bundestagsabgeordneter) mit dem Unternehmer Kirch eingegangen war. Nach der Kirch-Pleite im April 2002 war ans Licht gekommen, dass Kohls Firma P & S (Politik und Strategieberatung), die er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt gegründet hatte, jährlich 600 000 Mark von Leo Kirch für "Beratertätigkeiten" kassiert hatte. Auch die ehemaligen Minister erhielten hohe Summen für nicht näher benannte Dienste. Hofmann und Ströbele wollen jetzt wissen, für welche Gegenleistungen das Geld geflossen ist. Nach Ansicht der rot-grünen Politiker, die im Spenden-Untersuchungsausschuss Obleute ihrer Fraktionen waren, sind nach Durchsicht der Protokolle aus den damaligen Befragungen Kohls und Kirchs "Widersprüche" aufgetaucht, die es zu klären gelte. Zudem bestehe Grund zu der Annahme, "dass Kirch nicht die volle Wahrheit gesagt hat". Ströbele wies darauf hin, dass der Münchner Unternehmer im Ausschuss am 15. November 2001 ausdrücklich betont hatte, Kohl habe von geschäftlichen Dingen "nie etwas verstanden". Umso interessanter sei die Frage, welcher Natur die Geschäftsbeziehung der beiden Freunde denn gewesen sei. Zudem gelte es mittlerweile als gesicherte Erkenntnis, dass sich Kohl als Bundeskanzler aktiv für die Belange des Unternehmers Kirch eingesetzt habe. Hofmann wies auf die besonders heikle Rolle des ehemaligen Postministers Bötsch hin, der "auf der Payroll von Kirch stand" und gleichzeitig Mitglied im Spenden-Untersuchungsauschuss war. Diese Interessenkollission habe Bötsch verschwiegen. Auffallend sei außerdem, dass sich die Unionsvorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) bislang nicht zu den Beraterverträgen geäußert hätten. Hofmann forderte sie auf, Stellung zu beziehen. Zur Frage eines neuen Untersuchungsausschusses sagte der SPD-Politiker, man wolle noch weitere Erkenntnisse abwarten, die die Insolvenzverwalter des alten Kirch-Konzerns zutage fördern könnten. Danach werde die Koalition über die Einsetzung eines Ausschusses entscheiden.

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