Kommunaler Aufschrei

Die Menschen werden weniger, die Unterschiede zwischen Stadt und Land größer: Einen "Orientierungsrahmen" will das Land mit dem neuen Landesentwicklungsprogramm (LEP IV) setzen. Doch kaum lag der Entwurf auf dem Tisch, hagelte es Kritik von allen Seiten. "Das hat Züge von DDR-Planwirtschaft", lautete der härteste Vorwurf eines Verbandsbürgermeisters aus Rheinhessen.

 Neubauprojekte auf der grünen Wiese sollen nach dem Willen des Landes künftig die Ausnahme sein. Vorrang hat die Bebauung innerortsTV-Foto: Albert Follmann

Neubauprojekte auf der grünen Wiese sollen nach dem Willen des Landes künftig die Ausnahme sein. Vorrang hat die Bebauung innerortsTV-Foto: Albert Follmann

Mainz. Kommunalminister Karl Peter Bruch (SPD) redete nicht um den heißen Brei: Über ein neues LEP wolle sich das Land künftig stärker in Entwicklungen vor Ort einmischen und strengere Vorgaben machen. Der Bevölkerungswandel mit sinkender Einwohnerzahl und zunehmender Alterung erfordert nach seinen Angaben Konsequenzen. Weniger Flächenverbrauch, und mehr Innenentwicklung der Gemeinden statt Bauen auf der grünen Wiese. Kooperationsgebote sollen mehr Aufgabenteilung bringen.Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Aus Sicht der CDU werden den Kommunen kurze Zügel angelegt und ihre Gestaltungsfreiheiten stark beschnitten. Weil Kooperationsgebote strenger als notwendig vorgegeben sind, fürchtet die Union "Zwangsehen". Sie denkt sogar daran, rechtlich gegen das Entwicklungsprogramm vorzugehen, wenn der Entwurf nicht noch entschärft wird.Auch die FDP ist skeptisch. Sie billigt dem Land zwar die Steuerungsfunktion grundsätzlich zu. Ihr gehen die Regelungen zu sehr ins Detail und greifen damit in die Selbstverwaltung ein. Versorgungsfunktionen nur noch in zentralen Orten sicherzustellen, dürfe nicht zu noch mehr Strukturgefälle zwischen starken und schwächeren Gemeinden im Land führen, warnen die Liberalen.Skepsis auch beim Städtetag

Entschiedene Ablehnung kommt vom Landkreistag, der um die Eigenständigkeit der Gebietskörperschaften fürchtet. Staatliche Planung dürfe nicht die eigenverantwortliche Entwicklungsperspektive ersetzen. Skepsis herrscht auch beim Städtetag über die Vielzahl der Kooperationsgebote im Entwurf des LEP IV. Auch der Gemeinde- und Städtebund übt Kritik. Vorsitzender Winfried Manns: "Abweichungen von Zielen sind nur noch über aufwändige Gutachten erreichbar."Als völlig ungenügend bewertet dagegen der Umweltschutzverband BUND den Entwurf. Der Flächenverbrauch wird nach seinen Angaben nur halbherzig angegangen, die Verkehrspolitik auf alten Wegen weiterverfolgt, statt auf nachhaltige Konzepte im öffentlichen Personennahverkehr zu setzen. Der Stellenwert des Naturschutzes werde durch den Vorrang für wirtschaftliche und landwirtschaftliche Nutzung geschwächt.Ministerpräsident Kurt Beck gibt sich zwar grundsätzlich gesprächsbereit über Änderungen bei den Vorgaben, beharrt aber gleichzeitig darauf, dass "Entwicklungsachsen" im neuen LEP geschaffen werden, auch wenn später Abweichungsverfahren zugelassen sind. Laut Beck muss die Zersiedelung der Landschaft ein Hauptpunkt bleiben. Bau- und Gewerbegebiet sollen begrenzt werden. Es könne nicht sein, dass teilweise Gewerbegebiete für viel Geld erschlossen würden, die anschließend mangels Nachfrage wieder zuwüchsen, so Beck. Er weiß zwar aus eigener Erfahrung, dass sich Bürgermeister nicht gern hin-einreden lassen. Dennoch will der Regierungschef einen Orientierungsrahmen setzen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Nur mit Kopfschütteln kann er auf den Vergleich mit Zuständen in der früheren DDR reagieren. "Das hat starke Züge von DDR-Planwirtschaft", hatte der Wöllsteiner Verbandsbürgermeister Franz Josef Lenges seinen Parteifreunden zum LEP IV ins Stammbuch geschrieben.

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