LKW-Maut völlig verfahren

BERLIN. Keine Ende des LLKW-Maut-Debakels in Sicht: Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) benötigt doch mehr Prüfzeit für das neue Angebot des Konsortiums Toll Collect. Um nicht in neue Fallen des sieben Zentimeter dicken Vertragswerkes zu tappen, "brauchen wir noch einige Tage”, teilte das Ministerium mit.

Eigentlich wollte der Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) heute die Prüfung des neuen Maut-Angebots von Toll Collect abschließen. Die rechtlichen, kaufmännischen und technischen Fragen, lautete gestern aber die offizielle Marschrichtung, müssten noch in ein Gesamtpaket eingebettet werden, meinte Ministeriumssprecher Felix Stenschke. "Und insofern brauchen wir noch einige Tage.” Im Klartext heißt das: Das Verhandlungsangebot weist mehr Pferdefüße auf, als Stolpe erwartet hat. Und dabei geht es nicht allein um die strittige Höhe der Strafzahlungen, wenn die Termine erneut nicht eingehalten werden können. Es geht anscheinend auch darum, dass das Konsortium offenbar selbst erhebliche Zweifel am eigenen Zeitplan zur Einführung der LKW-Maut hat. Toll Collect hatte Stolpe am Dienstag schriftlich vorgeschlagen, zum 31. Dezember dieses Jahres die Erhebung in einem ersten Schritt einzuführen, quasi eine "Maut-Light” zu installieren. Die volle Funktion des Systems werde dann erst vom 31. Dezember 2005 an möglich sein. Sollten die Termine erneut platzen, so DaimlerChrysler und Deutsche Telekom, sei man bereit zu Vertragsstrafen von 40 Millionen Euro monatlich aufsteigend bis zu 65 Millionen Euro. Im Ministerium schüttelt man über solche Zahlen allerdings nur den Kopf. Denn zum Vergleich: In jedem Monat, in dem keine Maut erhoben wird, verliert der Bund 180 Millionen Euro. In diesem Jahr gehen dem Verkehrsminister also satte 2,3 Milliarden Euro flöten, weil die versprochenen Einnahmen nicht fließen. Wichtige Infrastrukturinvestitionen stehen deshalb auf der Kippe, auch für die Fußball-WM 2006. Damit ist die Rechnung aber noch nicht komplett. Stolpe ringt demnächst mit dem Konsortium vor einem Schiedsgericht um 1,3 Milliarden Euro, die er für den mehrfach in der Vergangenheit verschobenen Starttermin der Lkw-Maut haben will. Und nun muss er zu allem Unglück auch noch mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) darum kämpfen, wie die durch das finanzielle Desaster entstandenen Lücken in seinem Etat geschlossen werden können. Toll Collect versuche nun, "die Lasten zugunsten der Unternehmen zu verschieben”, kritisierte gestern unverhohlen Ministeriumssprecher Stenschke. Zu dieser Sichtweise mag auch geführt haben, dass die Betreiberfirmen in ihrem Angebot auf eine weitere Frist von sechs Monaten pochen, falls die Maut doch nicht wie jetzt geplant in einer ersten Phase ab dem 31. Dezember 2004 erhoben werden kann. Erst nach Ablauf des halben Jahres ende der Betreibervertrag dann "automatisch”, heißt es in dem unserer Zeitung komplett vorliegenden, elfseitigen Papier des Konsortiums an den Minister. Die gleiche Sechs-Monate-Regelung solle zudem gelten, wenn der "vertragskonforme Systemstart” Anfang 2006 nicht erfolgen könne. Ergo: Toll Collect scheint offenbar selbst nicht an den eigenen Zeitplan zu glauben.Stolpe sucht nach Alternativen

Dessen aber nicht genug. Im Verkehrsministerium fürchtet man auch den Zorn der Spediteure, denn in der ersten Phase der Erhebung ist es nicht möglich, die Erfassungsgeräte (OBU) mit neuen und aktuellen Streckendaten zu füttern. Sie verfügten "nicht über die Fähigkeit eines regelmäßigen Betriebsdaten-Updates”, heißt es in dem Verhandlungsangebot. Daraus folgt: Am Ende der ersten Maut-Erhebungszeit müssen die bis dahin eingebauten Erfassungsgeräte in den Lkw wieder gegen neue ausgewechselt werden. Minister Stolpe will nun dem Verkehrs- und Haushaltsausschuss am 11. Februar erklären, wie er mit dem Angebot von Toll Collect verfahren wird. Gleichzeitig plant er, eine Bewertung von möglichen Alternativen vorzunehmen. Nach Informationen unserer Zeitung stehen im Ministerium fünf Alternativen zur Debatte, die "denkbar” seien. Darunter befindet sich die Wiedereinführung der Eurovignette oder die Umsetzung des Erhebungssystems mit anderen Partnern. Manko aller Systeme: Für die Errichtung würde man mehrere Monate benötigen.

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