Legt Euch mehr ins Zeug, Kollegen!

BERLIN. "Die Ängste der Menschen sind unbegründet", sagt Gerhard Schröder zu den anhaltenden Protesten gegen die Hartz-IV-Gesetze. Bei seinem ersten Auftritt vor der Hauptstadt-Presse seit langem forderte der Kanzler seine Minister zu stärkerem Engagement bei der Vermittlung der Reformen auf.

Der Kanzler kam um 12 Uhr mittags, und er wollte der verunsicherten Nation die Notwendigkeit seiner Reformpolitik erklären. Wer sich von diesem sommerlichen Auftritt vor der Bundespressekonferenz aber die Beseitigung des oft beklagten "Vermittlungsproblems" zu Hartz IV erhofft hatte, wurde enttäuscht. Nachher war man auch nicht viel schlauer, denn dass Gerhard Schröder "fest davon überzeugt" ist, dass sein Reformweg richtig und alternativlos sei, war schon länger bekannt. Immerhin nutzte der Regierungschef die Möglichkeit, öffentlich eine Botschaft zu verkünden, die eigentlich nach innen, an sein Kabinett gerichtet war. Sie lautete: Legt Euch mehr ins Zeug, Kollegen!Unausgesprochene Kritik am Vize-Kanzler

Es sei "Aufgabe der Kabinettsmitglieder, sich in die Diskussion einzubringen", sagte Schröder mit der Langmut eines Chefs, der deutliche Kritik an seinen wichtigsten Mitarbeitern üben, diese aber nicht verprellen will. Übersetzt hieß das: Mit dem Engagement meiner Minister, dem Volk die schwierigste Sozialreform in der bundesdeutschen Geschichte offensiv und positiv zu erläutern, bin ich nicht zufrieden. Gemeint war vor allem Joschka Fischer, der bislang eine Haltung an den Tag legte, als ginge ihn dieser innenpolitische Ärger als Außenminister nichts an. Überhaupt befleißigt sich der laut Umfragen beliebteste Politiker Deutschlands seit geraumer Zeit eines lauten Schweigens, das auch deshalb auffällig ist, weil sich die SPD anders als die Grünen im freien Fall befindet. Dabei hatte "Joschka" seinem Freund "Gerd" doch versprochen, im Jahr 2006 gemeinsam wieder zur Bundestagswahl anzutreten. Ein Projekt, das angesichts der Hartz-IV-Problematik in weite Ferne gerückt ist. Nun ist ein Bundeskanzler schon von Amts wegen verpflichtet, Optimismus zu versprühen und keine Trübsal zu blasen. Diesem Ansinnen widmete sich Schröder am Mittwoch mit besonderer Hingabe, wobei er die Variante wählte, die Pressekonferenz mit einem außenpolitischen Exkurs zu eröffnen ("Deutschland ist international ein überaus geachteter Partner."). Ob dieser Einstieg klug gewählt war, sei dahin gestellt. Jedenfalls war nach einer Viertelstunde Weltpolitik der Spannungsbogen, der sich vor jeder Pressekonferenz des Kanzlers aufbaut, irgendwie abgeschlafft. Die Fragen der Journalisten waren sachlich und ohne Schärfen, die Antworten auch.Über Hartz und über Gott und die Welt

Schröders wichtigste Aussagen im Zeitraffer: "Wir sind auf einem guten Weg - Hartz IV dient dazu, Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zu geben - Das Gesetz wird planmäßig und ohne jede Veränderung umgesetzt - Alle müssen begreifen, dass die Transfers (Sozialleistungen) durch Steuermittel aufgebracht werden - Ich bin fest davon überzeugt, dass dies (die Reformen) von den Menschen honoriert werden wird - Ich habe vollen Respekt für die Leistungen (der Ostdeutschen), die erbracht wurden - Ich kann die Sorgen und Ängste der Bürger verstehen, aber sie sind unbegründet." Der Kanzler gab Auskunft zu Gott und der Welt, zum UN-Sicherheitsrat, zur Entwicklung des Ölpreises, zur letzten Stufe der Steuerreform ("Sie kommt."), zum Problem Mindestlöhne, zur Zahnersatz-Versicherung, zum Wechsel im Parteivorsitz ("War richtig.") und selbst zu seinem schärfsten Kritiker Oskar Lafontaine, dessen Namen er aber nicht in den Mund nahm. Nur soviel: SPD-Chef Franz Müntefering, der Lafontaine mehrfach öffentlich abgekanzelt hat, behandele "diese Personalie völlig richtig". Gewiss machten ihm die Situation der SPD, die Wahlniederlagen und die deprimierenden Umfragen Sorgen - doch er leide nicht darunter "wie ein Hund" (wie dies Parteifreund Michael Müller behauptet hatte). Wortkarg, ja verschlossen wie eine Auster, begegnete der Kanzler Fragen nach seiner neuen Vaterschaft. Er bestätigte nur, "dass wir ein Mädchen adoptiert haben", verweigerte aber unter Hinweis auf sein Privatleben jede weitere Erklärung. Auch die Veröffentlichung eines Bildes in der Bild-Zeitung, das ihn am Grab seines im Krieg gefallenen Vaters in Rumänien zeigt, kommentierte er nur knapp: "Ich wollte keine Fotos. Alle haben sich daran gehalten, nur einer nicht."

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