Lieber tot als lebendig

WASHINGTON. US-Präsident George W. Bush will Saddam Hussein "lieber tot als lebendig" - ein Prozess gegen den ehemaligen Diktator käme dem Weißen Haus ungelegen. Doch auch für diesen Fall gibt es schon Pläne.

Mit neuen Fotos, die einen möglicherweise optisch stark veränderten Saddam Hussein zeigen, hat die "Task Force 20" der US-Armee die Jagd auf den gestürzten irakischen Diktator intensiviert. Gleichzeitig genehmigte Außenminister Colin Powell die Auszahlung von 30 Millionen US-Dollar Belohnung an jenen Mann, der mit seinem Hinweis auf den Aufenthaltsort das Schicksal der am Wochenende beigesetzten Udai und Kussai Hussein besiegelt hatte. Die schnelle und unbürokratische Auszahlung hatte vor allem einen Zweck: Die irakische Bevölkerung zu neuen Hinweisen zu animieren, die zu Saddam Hussein führen könnten - ein Fahndungsobjekt, das Powell kürzlich in drastischer Wortwahl als "Stück Abfall" bezeichnet hatte, der nur noch eingesammelt werden müsse. In diesen Worten spiegelte sich jedoch auch jede Menge Verärgerung wieder: Mit seinem letzten Tonband, auf dem er zum "Heiligen Krieg" gegen die Besatzer aufruft, ist der Despot weiter ein schmerzhafter Stachel im Fleisch der US-Regierung. Während sich - und das ist im Hinblick auf die Powell-Äußerung reiner Zufall - hartnäckig Gerüchte halten, dass Saddam Hussein in jüngster Zeit mit einem Müll-Fahrzeug auf der Flucht war, gerät in Washington eine Frage verstärkt in den Vordergrund: Was tun mit ihm? Die offizielle Sprachregelung im US-Verteidigungsministerium lautet wie schon bei Kriegsbeginn, die Offiziere und Soldaten vor Ort hätten die Freiheit, je nach Situation zu entscheiden. "Ergibt er sich, wird er festgenommen. Schießt er auf uns, wird zurückgeschossen", beschreibt ein Pentagon-Sprecher die Marschroute. Gleichzeitig ist jedoch zu erfahren, dass das Weiße Haus und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gegenüber der militärischen Führung mehrfach deutlich gemacht haben, dass sie den Gesuchten "lieber tot als lebendig" hätten. Hintergrund dieser Denkweise ist, dass man möglichst einen Prozess und alle damit verbundenen heiklen Fragen über den offiziellen Status des Gefangenen, dessen Unterbringung sowie den Ort und die Zusammensetzung des Gerichtes vermeiden möchte. Handfeste Hinweise: Bisher Fehlanzeige

In Washington fürchtet man, dass bei einem öffentlichen Verfahren Saddam Hussein monatelang die Möglichkeit nutzt, antiamerikanische Thesen zu verbreiten und vor allem die von den USA und ihren Verbündeten zitierten Kriegsgründe in Frage stellt. Denn auch wenn sich nun der Leiter der militärischen Suchaktion nach Massen-Vernichtungswaffen im Irak vor Mitgliedern des US-Kongresses zuversichtlich zeigte, diese werde man bei entsprechender Geduld auch finden, so scheint doch bisher das Weiße Haus keinerlei handfeste Hinweise zu besitzen, die ein Auffinden realistisch erscheinen lassen. Während man in Washington allgemein nicht damit rechnet, Saddam Hussein lebend habhaft zu werden, so gibt es jedoch auch für diesen "Fall der Fälle" konkrete Überlegungen. Die "New York Times" enthüllte am Wochenende, dass die US-Regierung auf einem rein irakischen Gericht beharren wolle, das Saddam aburteilen müsse, und nicht einem Vorschlag aus UN-Kreisen folgen wolle, der - als eine von mehreren Optionen - die Besetzung eines Gerichtes mit Richtern aus dem gesamten Mittleren Osten vorsehe. Eine andere Überlegung der Uno sei gewesen, solange eine Aburteilung zu verschieben, bis ein funktionierendes irakisches Justizsystem existiere. Lange warten will man im Hause Bush offenbar jedoch nicht: Hier plant man einen kurzen Prozess mit ehemaligen irakischen Juristen, die unter der Regentschaft des Hussein-Clans entlassen wurden oder ins Exil geflüchtet waren. Dieses Gericht solle dann vor allem die Menschenrechts-Verstöße des Diktators, darunter auch den angeordneten Massenmord an mehreren tausend Kurden und die gnadenlose Beseitigung von politisch Andersdenkenden, aufarbeiten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort