Marsch in die Mitte

TRIER. Rechtsextremismus hat viele Gesichter. Entsprechend schwer ist er zu bekämpfen. Junge Trierer Gewerkschafter und Sozialdemokraten beobachten ein Erstarken der rechten Szene – und halten mit Informationen dagegen.

Vor wenigen Jahren noch lagen die Dinge einfach. Glatzkopf, Bomberjacke, Springerstiefel, weiße Schnürsenkel - und es war klar: Dieser Mensch hegt rechtsextremes Gedankengut. Mittlerweile versammelt sich die Szene nicht mehr hinter einem bestimmten Erscheinungsbild. "Die Rechten gehen deutlich cleverer vor", sagt Markus Nöhl von den Trierer Jusos. "Sie passen sich verschiedenen Subkulturen an und übernehmen Musikgattungen. Beispielsweise entleeren sie den Hip-Hop und fügen Versatzstücke ihrer Ideologie ein." Rechtsextremismus lässt sich sehr viel schwerer fassen als in der Vergangenheit - und das macht es ungleich schwerer, gegen ihn vorzugehen: Da sind sich die jungen Leute einig, die am Freitag bei einer Pressekonferenz in Trier über das Erstarken des Rechtsextremismus und das, was sie dagegen unternehmen, informieren. Die Vertreter von DGB- und Verdi-Jugend, Jusos und dem Netzwerk für Demokratie und Courage schildern zahlreiche bedenkliche Tendenzen. "Rechtsextremismus ist gesellschaftsfähig geworden", sagt Holger Meuler, stellvertretender Vorsitzender der DGB-Jugend West. "Es gibt eine latente Fremdenfeindlichkeit, die in der Mitte der Gesellschaft verankert ist." Längst seien nicht mehr nur Außenseiter für rechtes Gedankengut empfänglich. "Oft haben wir es auch mit Mittelständlern zu tun, die Angst vor einem Statusverlust haben."Die Rechten haben schlagkräftige Strukturen entwickelt, ehemals verfeindete Gruppen formieren sich zu einer "Front". Dabei kommt es bisweilen zu abenteuerlichen Koalitionen: Meuler berichtet von einer Berliner Aktion im Bundestagswahlkampf, bei der NPD und eine faschistische türkische Organisation gemeinsam gegen einen EU-Beitritt der Türkei mobil machten.

Thorsten Servatius von der DGB- und Verdi-Jugend Trier beschreibt, wie die Rechten neue Themenfelder - Hartz IV und Globalisierung zum Beispiel - besetzen. Und Meuler verweist auf politische Erfolge der Rechten. Mit der DVU in Brandenburg sei erstmals einer rechtsextremen Partei der Wiedereinzug in einen Landtag gelungen. "Das darf man nicht außer Acht lassen."

"Die Rechten sind keine Dumpfbacken mehr"

Schlussstrich-Debatten spielten Rechtsextremisten ebenso in die Hände wie die allgemeine Lösung von Bindungen an Kirchen und Parteien, sagt Juso Nöhl - also an Organisationen, die gegen faschistisches Gedankengut eintreten.

Nicht zu unterschätzen seien auch ökonomische Interessen, meint Meuler. "Mit Rechtsextremismus ist Geld zu verdienen - ob es um Musik, Magazine oder Mode geht."

Die Jusos und jungen Gewerkschafter machen zusammen mit anderen Organisationen im so genannten Netzwerk für Demokratie und Courage gegen Rechtsextremismus mobil. Herzstück sind dabei Projekttage, bei denen junge Freiwillige in Schulen gehen und in lockerem Rahmen über Themen wie Rassismus oder Diskriminierung sprechen. Ihre Hoffnung: Informationen relativieren Vorurteile. Für Donnerstag, 10. November, haben DGB-Jugend, Jusos und Netzwerk für Demokratie und Courage den Soziologen und Rechtsextremismus-Experten Lutz Neitzert nach Trier eingeladen. Er spricht um 19 Uhr im Lesecafé am Domfreihof über die rechte Musikszene. Auch jede einzelne Organisation initiiert regelmäßig Vorträge, Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern, Rock-Gegen-Rechts-Konzerte - und lässt sich immer wieder Neues einfallen, um den erstarkenden Rechtsextremisten Paroli zu bieten. Denn die, sagt Holger Meuler, "sind längst keine Dumpfbacken mehr, sondern gut geschulte Kader".

Weitere Infos zum Netzwerk für Demokratie und Courage und seine Projekttage gibt es unter www.ndc-rlp.org. Das Land hat unter der Nummer 0800/4546000 eine Aussteiger-Hotline für junge Leute im rechten Lager eingerichtet. Betroffene Eltern können sich unter 06131/967520 beraten lassen.

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