Mit Nachdruck zum letzten Eindruck

Berlin/Dresden. Im Streit um die Führungsrolle in einer künftigen Bundesregierung zeichnet sich weiter keine rasche Lösung ab. Vor der Nachwahl in Dresden an diesem Sonntag blieben Union und SPD bei ihren starren Positionen.

Die beiden vermeintlich Großen im schwarz-roten Machtkampf, Angela Merkel und Gerhard Schröder, schlugen gestern per Interviews letzte verbale Pflöcke ein. In der Hoffnung, mit Nachdruck beim Wähler in Dresden noch etwas Eindruck zu hinterlassen. Am Sonntag wird im Wahlkreis 160 endlich gewählt, erst danach ist die Bundestagswahl offiziell beendet.An den grundsätzlichen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag wird der Urnengang in der sächsischen Landeshauptstadt zwar nichts mehr ändern. Dem Dresdner Wahlergebnis, dem Abschneiden von Schwarzen und Roten, messen jedoch beide Seiten erhebliche Symbolkraft für den Berliner Koalitionspoker bei. Merkel und Schröder ließen daher gestern noch einmal die Muskeln spielen. Koalitionsverhandlungen würden erst beginnen, lautete die letzte Wahl-Offensive der Herausforderin, wenn die notwendige Vertrauensbasis geschaffen sei. "Zu der auch gehört, dass die SPD die Kanzlerschaft für die Union als stärkste Fraktion und damit der Kanzlerkandidatin anerkennt", wiederholte Merkel.

Im umkämpften Kanzleramt sitzt aber noch Gerhard Schröder, der trotz aller laut gewordenen innerparteilicher Unkenrufe nicht müde wird zu betonen, dass dies so bleiben soll. Wenn auch längst nicht mit der Klarheit vergangener Tage. Seine Widersacherin wirkt diesbezüglich viel zielstrebiger. "Bei einem so geringen Unterschied bei den Mandaten im Parlament kann die eine Seite der anderen Seite keine Ultimaten stellen oder irgend etwas diktieren", bewertete Schröder Merkels Aufforderung. Die Fronten in der K-Frage sind also weiter verhärtet. Das Dresdner Wahlergebnis könnte sie weichspülen. Denn in beiden Lagern wird das Signal als überaus wichtig angesehen, das aus der sächsischen Stadt in den Rest der Republik gesendet wird. Der Gewinner darf sich deutlich gestärkt fühlen. Kein Wunder, dass die Parteioberen allesamt gestern noch einmal zu Wahlkampf-Auftritten an die Elbe reisten. In Berlin wurde derweil fleißig weiter spekuliert. Zum Beispiel, dass Gerhard Schröder je nach Ausgang nicht gleich am Sonntagabend, aber vielleicht am Montag seinen Rückzug erklären könnte. Staatstragend, am Tag der deutschen Einheit. Das würde zu ihm passen. Auch wenn dies aus dem Umfeld von SPD-Chef Franz Müntefering und seitens der Bundesregierung kategorisch verneint wird, weiß man, dass der Niedersachse nicht gerne lange fackelt. Jedenfalls kommt das SPD-Präsidium am Montagabend zusammen, und angeblich soll der 45-köpfige Parteivorstand sich für den Fall der Fälle bereit halten. Gegen den schnellen Abgang spricht allerdings, dass Schröder damit den Genossen ad hoc Verhandlungsspielräume nehmen würde - personell und inhaltlich. Sein Ziel, die SPD für Gespräche stark zu machen und zu halten, wäre dann von jetzt auf gleich verpufft. Dass der Niedersachse irgendwann gehen wird, gilt in Berlin jedoch als sicher.

Nach Dresden dürfte aber noch mehr ins Rollen geraten. Bislang galten in der Union und in der SPD mehr oder weniger Stillhalteabkommen, die mit Ende des Wahlkampfes nun langsam zu bröckeln beginnen: So geht die SPD-Linke bereits auf Distanz zur großen Koalition, die die Genossen durchaus vor eine Zerreißprobe stellen könnte. Deshalb wird Franz Müntefering weiter als Vizekanzler gehandelt, nur er kann den Laden zusammen halten. Die heikle Debatte darüber wird noch richtig in Fahrt geraten, genauso wie eine andere: In der Union wächst die Kritik am Wahlkampf von Kandidatin Merkel. Dass die Ostdeutsche bei einem schlechten Abschneiden der Union in Dresden noch ausgewechselt wird, ist aber mittlerweile eher unwahrscheinlicher. Dafür haben sich die innerparteilichen Reservekanzler wie Roland Koch, Christian Wulff und Edmund Stoiber zu kompromisslos hinter sie gestellt.

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