Mit Seiteneinsteigern gegen den Mangel

Mainz/Trier · Lehrer gesucht: Planstellen in Fächern mit Nachwuchsmangel bleiben unbesetzt, Länder werben sich gegenseitig Pädagogen ab. Vor allem für Schulen auf dem Land ist es schwer, die gewünschten Bewerber zu gewinnen. Rheinland-Pfalz setzt auf Seiten- und Quereinsteiger.

Mainz. Rund 240 000 Euro hat sich die Landesregierung in Wiesbaden eine Werbekampagne kosten lassen, um Lehrer aus anderen Bundesländern nach Hessen zu locken. Geboten werden teilweise bessere Bezahlung und eine Verbeamtung bis zum 50. Lebensjahr. Den Ärger mit den Nachbarn wegen mangelnder Solidarität bis hin zum Vorwurf der "Räuberei" ging man bewusst ein. Zum neuen Schuljahr kamen mehr als 230 Lehrer von jenseits der Landesgrenze, darunter auch welche aus Rheinland-Pfalz, wie die Lehrergewerkschaft GEW weiß.

Doch ungeachtet der umstrittenen Abwerbeaktion herrscht bundesweit Lehrermangel vor allem in Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik, alten Sprachen, aber inzwischen auch verstärkt in Englisch und Französisch, so Peter Epp von der Schulaufsicht der ADD in Trier. Rund 1500 der fast 40 000 Lehrerstellen in Rheinland-Pfalz sind durchschnittlich jährlich neu zu besetzen. In den stark nachgefragten Fächern geht es inzwischen nicht mehr um die Bestenauslese. Wer sein zweites Staatsexamen bestanden hat, wird in der Regel auch eingestellt. Bei großen Engpässen erhalten auch Hochschulabsolventen bereits nach dem ersten Staatsexamen Vertretungsverträge und dürfen dann, so die Schulleitung sie für qualifiziert hält, auch in Grundkursen von Oberstufenklassen eingesetzt werden. Für kurzfristige Krankheitsvertretungen greifen Schulen auch schon mal nach einem absolvierten Probeunterrricht auf Studenten ohne Examen zurück, die allerdings nicht in der Oberstufe unterrichten dürfen. Notlösungen sind laut Epp besser als Stundenausfall.

Um in diesen Fächern Entlastung zu schaffen, sind nach Angaben des Mainzer Bildungsministeriums seit 2001 rund 1200 zusätzliche Lehrer über die "Notprogramme" für Seiteneinsteiger und Quereinsteiger für sogenannte Mangelfächer gewonnen worden.Rund 440 Seiteneinsteiger wurden vor allem für Gymnasien eingestellt, davon 80 zum aktuell angelaufenen Schuljahr. So starteten etwa zwei Seiteneinsteigerinnen am Thomas-Morus-Gymnasium in Daun mit der Fächerkombination Musik/Deutsch und Evangelische Religion/Deutsch.

Seiteneinsteiger sind Hochschul-Absolventen, die nicht für ein Lehramt studiert haben, aber für den Einsatz in gefragten Fächern qualifiziert erscheinen. Sie werden einer Schule zugewiesen und drei Viertel ihrer Zeit im Unterricht eingesetzt. Ansonsten absolvieren sie nebenher ein verkürztes Referendariat. Im vergangenen Jahr konnten über diesen Weg vor allem Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik gewonnen werden.

Auf dem Wege des Quereinstiegs wurden 470 Lehrkräfte für allgemeinbildende Schulen und rund 320 für berufsbildende Schulen ausgebildet. Dabei geht es um Hochschulabsolventen, die ebenfalls kein Lehramts-Studium haben, sondern etwa über einen Diplom- oder Magister-Abschluss verfügen und vor ihrem Einsatz an der Schule erst einmal ein komplettes Referendariat als Lehrer-Ausbildung hinter sich bringen.

Befürchtung: Steigender Unterrichtsausfall



Unabhängig von Seiten- oder Quereinsteigern kritisieren Lehrerverbände die stark begrenzte Aufnahme von Absolventen mit erstem Staatsexamen in die Lehrer-Seminare. Weil jeder zweite Bewerber in diesem Jahr leer ausging, sei auch mit steigendem Unterrichtsausfall zu rechnen, warnt GEW-Vorsitzender Klaus-Peter Hammer. Heute befasst sich der Landtag mit diesem Thema.

Laut Bildungsministerium hat sich die Zahl der Lehramtsstudenten in den vergangenen sechs Jahren um rund 65 Prozent gesteigert. Was dennoch bleibt, ist laut Philologenverband ein Flaschenhals in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in den Studienseminaren durch die festgesetzte Höchstzahl der Plätze. Mit einer angespannten Lage auf dem Lehrermarkt rechnet die Schulaufsicht noch für drei bis vier Jahre.

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