Nahost-Gipfel mit zahlreichen Stolpersteinen

Mit seiner spektakulärsten Initiative seit sechs Jahren will US-Präsident George W. Bush morgen in Annapolis im Bundesstaat Maryland versuchen, dem Nahost-Friedensprozess neues Leben einzuhauchen.

Washington. Die Konferenz beginnt mit Reden Bushs, des israelischen Premierministers Ehud Olmert und des Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas vor Delegierten aus rund 50 Nationen - darunter auch zahlreichen Vertretern arabischer Staaten - und aus internationalen Organisationen. Das Ereignis müsse mehr sein als nur ein Fototermin, drängten US-Diplomaten in den letzten Wochen die Teilnehmer. Nachfolgend eine Übersicht über die wichtigsten Fragestellungen des Gipfels.Der US-Präsident setzt im Prinzip dort an, wo sein Vorgänger Bill Clinton im Jahr 2000 in Camp David gescheitert war: beim Versuch, Gespräche über ein konkretes Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern voranzubringen. Gleichzeitig verbirgt sich hinter der Initiative jedoch auch weiteres außenpolitisches Kalkül. So will Washington versuchen, durch mehr Nähe zu moderaten arabischen Staaten und deren Einbindung in den Friedensprozess diese zu veranlassen, sich stärker vom "Unruhestifter" Iran in der Region abzugrenzen. Bush wird höchstpersönlich mit US-Außenministerin Condoleezza Rice anwesend sein, dazu werden UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, der frühere britische Premierminister Tony Blair als internationaler Nahost-Beauftragter, hohe Vertreter der EU sowie natürlich Vertreter Israels und der Palästinenser erwartet. Es fehlen Delegierte der Hamas, die - weil als Terrororganisation eingestuft - vom Weißen Haus nicht eingeladen wurde. Als Erfolg gilt jedoch bereits, dass es der US-Regierung gelang, mindestens 15 arabische Nationen, darunter auch das lange zögernde Saudi-Arabien, nach Annapolis zu lotsen. Auch Syrien kündigte am Sonntag an, ein stellvertretender Außenminister werde zur Konferenz reisen. Zuvor war Washington Damaskus in der für die Syrer wichtigen Frage, welche Rolle die von Israel besetzten Golan-Höhen auf der Tagesordnung spielen würden, entgegen gekommen - in der Hoffnung, damit auch die Chancen für eine Annäherung zwischen Israel und Syrien zu erhöhen.Was sind die strittigsten Themen des Gipfels?

Die strittigen Punkte: die künftige Grenzziehung bei der Gründung eines Palästinenserstaates (für den sich mittlerweile auch Bush stark macht), der Status von Jerusalem (insbesondere des von den Palästinensern ganz beanspruchten Ost-Jerusalem) sowie die Frage eines Rückkehrrechtes und der damit verbundenen Ansiedlung von Millionen Palästinensern, die vor fast 60 Jahren - während des Krieges 1948 und 1949 - ihre Wohnsitze aufgaben. Hinzu kommt noch die Frage, was mit israelischen Siedlungen im Westjordanland geschehen soll. Die Palästinenser fordern hier eine komplette Aufgabe der Ansiedlungen. Ebenso strittig: Die Frage, ob für den Abschluss eines Friedensvertrages ein festes Datum anvisiert werden soll. "Ein Scheitern ist keine Option", sagt US-Außenministerin Rice. Doch bei den wichtigsten Fragen liegen die Positionen noch weit auseinander. Wie schwierig es sein wird, tatsächliche Fortschritte auszuhandeln, zeigt sich allein schon in der Tatsache, dass es Vertretern Israels und der Palästinenser bisher nicht gelang, ein gemeinsames Papier auszuhandeln, das dann in Annapolis präsentiert worden wäre und als Grundlage für weitere Gespräche gedient hätte. Ohnehin ist bisher nicht klar, in welchem Umfang Palästinenserpräsident Abbas Verhandlungsergebnisse aufgrund der Hamas-Dominanz in Gaza umsetzen kann. Der Plan der USA wird so beschrieben: Die Konferenz soll den Palästinensern einen "politischen Horizont" und einen Weg in Richtung Staatsgründung aufzeigen, damit diese ihre Unterstützung für die Hamas fallen lassen. Meinung Niedrige Meßlatte Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass der morgen in den USA beginnende Nahost-Gipfel ein Erfolg werden wird - nimmt man das als Maßstab, was sich die Regierung von George W. Bush zum Ziel gesetzt hat: ernsthafte Gespräche für eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern neu zu beleben. Mit diesem minimalistischen Anspruch wurde die Meßlatte in den letzten Wochen bewusst so niedrig gehängt, dass es selbst Bush und seiner glücklosen, oft amateurhaft wirkenden Außenministerin Condoleezza Rice gelingen sollte, diese zu überqueren. Doch viel mehr darf nicht erwartet werden. Dass am Sonntag bekannt wurde, dass nun auch Vertreter Syriens anreisen werden, erhöht zumindest die theoretische Chance, auch auf radikale Elemente in der Region Einfluss zu nehmen - ein unverzichtbarer Faktor, will man tatsächlich den Friedensprozess voranbringen. nachrichten.red@volksfreund.de

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