Neue Männer braucht das Land

Männerförderung statt Frauenquote? Jungen gehören laut Experten zu den Verlierern des Bildungssystems, daher sollen sie gezielt für Frauenberufe qualifiziert werden: Männer in Kindergärten und Altenheime.

Trier. "Mehr Frauen in Führungspositionen", "Politik muss weiblicher werden". So lauten die Schlagzeilen zum jährlichen Frauentag. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit entwickelt sich eine Gegenbewegung: Mehr Männer in Frauenberufe. Baden-Württemberg will als bisher einziges Bundesland parallel zum bundesweiten Girls Day am 24. April, bei dem Mädchen klassische Männerjobs schmackhaft gemacht werden sollen, einen Boys Day anbieten. Männer als Erzieher, Altenpfleger, Grundschullehrer. Bisher eine eher seltenere Berufswahl von Jungs.Frauentypische Berufe für Jungs?

Der von der baden-württembergischen Sozialministerin Monika Stolz geplante Jungen-Tag soll das ändern. In Rheinland-Pfalz hält man davon wenig. Sicher sei es sinnvoll, auch Jungen Einblicke in frauentypische Berufe zu geben, sagt Beate Fasbender-Döring, Sprecherin des Mainzer Familienministeriums. Aber einen eigenen Tag dafür will man in Rheinland-Pfalz nicht initiieren. Dafür gebe es schließlich den Girls Day, bei dem auch Jungs die Möglichkeit hätten, in Frauenberufe zu schnuppern. So konnten im vorigen Jahr etwa im Kreis Daun Jungs auch mal einen Tag als Erzieher "arbeiten" während die Mädchen etwa in Schreinereien oder Fabriken ihr Geschick unter Beweis stellen konnten. In der Berufsbildenden Schule in Bitburg wurde ein Haushaltsüberlebenstraining für Jungen angeboten. Nach Expertenansicht gehören die Jungs zu den wahren Verlierern des Bildungssystems. Weder im Kindergarten noch in der Schule gebe es genügend männliche Vorbilder, kritisieren die Fachleute. Und das scheint Folgen zu haben. Laut Shell-Jugendstudie streben 55 Prozent der Mädchen das Abitur an, aber nur 47 Prozent der Jungen. Das wiederum führt dazu, dass zwei Drittel der Schulabbrecher und drei Viertel der Sonderschüler männlich sind. Die Förderung von Jungs tut also Not. Statt körperlicher Überlegenheit und handwerklicher Fähigkeiten verlangen Arbeitgeber von Jungen immer mehr soziale Kompetenz wie Fairness und Kommunikationsfähigkeit. Kein Wunder also, dass auch in Rheinland-Pfalz Männer in Frauenberufen die Ausnahme sind. Von den rund 20 000 Erziehern im Land sind gerade mal 564 (drei Prozent) männlich. 2007 waren im Fach Grundschulpädagogik an der Uni Koblenz-Landau 715 Studenten eingeschrieben - davon nur 58 männliche. Das erklärt, warum in den Kindergärten und Schulen die männlichen Vorbilder fehlen. In den Pflegeheimen im Land arbeiteten 2005 786 männliche und 4361 weibliche Pflegekräfte. In den Krankenhäusern sieht es ähnlich aus: Gerade mal zwölf Prozent der Pflegekräfte sind Männer. Im Mainzer Familienministerium verweist man auf Projekte. In Trier hat sich bei der Familienberatungsstelle Pro Familia unter dem Namen "Soziale Jungs" ein Arbeitskreis Jungenarbeit gegründet. Unter dem Motto "Neue Wege für Jungs" fördert das Bundesfamilienministerium ein bundesweites Netzwerk zur Förderung von Jungen. Man wolle die männlichen Rollenbilder flexibilisieren und Alltags- und Sozialkompetenzen stärken, heißt es. Immerhin 100 Initiativen umfasst das Netzwerk mittlerweile.

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