Nichts für schwache Mägen

TRIER. Nur Großeltern assoziieren mit Kinderfernsehen noch die gute alte Kinderstunde, in der es ruhig und beschaulich zugeht. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Vor allem in Zeichentrickfilmen wimmelt es von ekligen und brutalenAußerirdischen. Viele derMystery-Serien stammen aus den Vereinigten Staaten. Auch europäische Produzenten lassen sich anstecken.

Große und kleine Vampire, freundliche und grausliche Geistersowie die verschiedensten Gestalten aus Legenden tummeln sich beiProgramm-Märkten für Kindersendungen wie der Mipcom Junior inCannes. Einige der Genre-Serien sind durchaus nett anzuschauen. "Strokkers" zum Beispiel von der spanischen Neptuno Films: Hier verwandeln sich die Titeljungs in Superhelden, die ihre Gegner mit ungewöhnlichen Mitteln besiegen - einer furzt etwa eine komplette Roboterarmee dienstunfähig.

Ausgiebige Kotz- und Furzorgien

Ohnehin spielte die Verdauung noch nie eine derart große Rolle wie bei den neuen Produktionen dieses Jahres. Viele Produzenten scheinen den schon seit einigen Jahren favorisierten schrägen Strich nun auch auf die Inhalte übertragen zu wollen.

Dass die Anmutung dabei immer weniger hübsch wird, ist die eine Sache; doch selbst mit ausgiebigen Kotz- und Furzorgien fallen die Animationsfilm-Macher inzwischen nicht mehr aus der Reihe. Allerdings dürfte dieser Trend im internationalen Kinderfernsehen kaum Chancen in Deutschland haben: Hierzulande wird grundsätzlich immer mit mindestens einem Auge auf die Eltern programmiert.

Ein Beispiel für das mitunter fröhliche Gemetzel auf dem Bildschirm sind die Abenteuer von "Petey und Jaydee". Jeder der kurzen Filme beginnt damit, dass Petey und Jaydee, zwei winzig kleine Außerirdische, mit ihrer fliegenden Untertasse in einer Küche landen.

Und dann dürfen sich zwei kindliche Grundzüge austoben: Neugier und Sadismus. In jeder Episode klettert der eine von beiden in ein Küchengerät, wo er regelmäßig explodiert, platzt oderzerquetscht wird, weil sein Begleiter die Mikrowelle, den Entsafter, den Mixer, das Waffeleisen, denToaster oder die Spülmaschine einschaltet. Man glaubt gar nicht, wie viele Todesfallen so eine Küche für kleine Aliens bereithält.

Deutlich unappetitlicher ist "The Disgusting World of Horace Grossman". Die Kurzfilme wurden ursprünglich für die Internet-Seite des britischen Nickelodeon-Ablegers produziert.

Der Titeltyp ist ein echtes Ekelpaket, das zum Beispiel in der Untergrund-Bahn seine vor Dreck starrenden, stinkenden Füße auspackt und abschleckt. Später schmiert er seine Popel auf das Brot; seiner zartbesaiteten Mutter wird schon vom Hingucken schlecht, und als erwachsenem Zuschauer geht's einem nicht anders.

Titelfigur Horace verarbeitet alle nur denkbaren körperlichen Ausscheidungen, was er zudem mit Vorliebe entsprechend geräuschvoll untermalt.

Derber Humor und Kraftausdrücke

Ein weiteres Beispiel: Die Serie "Motel Spaghetti" aus Spanien. Deren Figuren sehen aus wie die legendären Pilzköpfe.

Hier ist der Humor ebenfalls eher von der drastischen Sorte: Da wirft eine Figur eine Euro-Münze in die Toilette, um sich etwas zu wünschen, und als er erfährt, dass das nicht funktioniert, versucht er, das Geldstück mit einem riesigen Magneten wieder herauszuholen. Nebenan sitzt gerade eine junge Frau auf der Kloschüssel, der nun auf ausgesprochen schmerzhafte Weise ihr Intim-Pearcing abhanden kommt. Die "Motel Spaghetti"-Serie strotzt zudem nur so von Kraftausdrücken.

Derlei würde sich in Deutschland niemand trauen: nicht wegen moralischer Bedenken, sondern wegen fehlender Sendeplätze. Schon die Ausstrahlung der fröhlichen Verfilmung von Walter Moers' anarchischem "Kleinem Arschloch" um 20.15 Uhr bei RTL stieß auf laute Proteste.

Zeichentrick muss hier zu Lande immer irgendwie familientauglich sein. Erst recht beim Kinderkanal.

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