Rot-Grün beißt sich durch

BERLIN. Rot-grüner Alleingang: Nachdem sich keine Einigung mit der Union abzeichnet, wird der Bundestag die Gesetzesänderung beim Zahnersatz heute mit Regierungsmehrheit auf den Weg bringen.

Wenn der Bundestag heute eine Neuregelung beim Zahnersatz zum 1. Juli 2005 beschließt, wird der Gesundheitskonsens zwischen Regierung und Union zerbrochen sein. Nach langem Hin und Her hat sich Rot-Grün entschlossen, die Korrektur der Gesundheitsreform allein auf den Weg zu bringen. Wir erinnern uns: Ursprünglich sollten Kronen und Brücken aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden. Dafür hätten die gesetzlich Versicherten eine Extrapolice mit einem einheitlichen Beitragssatz abschließen müssen. Was bei der CDU als Vorläufer der einkommensunabhängigen Kopfpauschale geplant war, entpuppte sich als Rohrkrepierer. Kassen und Rentenversicherungsträger spielten nicht mit. So ersann Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) einen prozentualen Beitrag von 0,4 Prozent, der dem finanziellen Aufwand für Zahnersatz entspricht und von jedem Versicherten zu tragen ist. Diese Lösung lehnte die Union ab. Einen alternativen Vorschlag blieb sie jedoch schuldig. Weil die Gesundheitsreform ohnehin korrigiert werden muss, will Schmidt einen weiteren politischen Webfehler beseitigen. Nach der Mehrbelastung beim Zahnersatz ab 2005 sollten die Versicherten im Jahr darauf noch einen Sonderbeitrag von 0,5 Prozent zur teilweisen Abdeckung des Krankengeldes schultern. Nun werden beide Grausamkeiten zusammengelegt. Das bedeutet: Ab Juli 2005 wird es für die Versicherten einen separaten Kassenbeitrag von 0,9 Prozent geben. Wer also 1500 Euro verdient, muss dafür 13,50 Euro locker machen. Das sind netto 6,75 Euro mehr als bisher, weil der hälftige Arbeitgeberanteil entfällt. Verglichen mit dem Einheitsbeitrag beim Zahnersatz, der etwa acht Euro betragen hätte, kommt die Verschiebung der Parität für Geringverdiener günstiger. Höhere Einkommen werden stärker belastet. Im Gegenzug verpflichtet die Gesetzesänderung die Krankenkassen, zeitgleich ihre Beitragssätze um 0,9 Prozent zu senken. Dagegen laufen die Assekuranzen Sturm: Eine gesetzlich verordnete Beitragsminderung sei mit der finanziellen Eigenverantwortung unvereinbar und bestrafe auch jene Kassen, die bereits Entscheidungen zur Beitragsabsenkung getroffen hätten. Die Kassen könnten ihre Beiträge nun anheben, um sie zum Juli 2005 wieder zu senken. Die angeblich 500 000 Menschen, die im Vertrauen auf die Reform bereits eine Zahnersatzversicherung abgeschlossen haben, sollen ein Sonderkündigungsrecht erhalten.

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