Rot gegen Schwarz: Das Poltern geht weiter

"Wir werden nicht locker lassen, bis wir den Ball im Tor haben", meinte Hubertus Heil gestern kämpferisch. Eigentlich waren die Worte des SPD-Generalsekretärs auf den unbefriedigenden Sachstand beim Thema Mindestlohn gemünzt. Doch der Satz klang wie ein Generalangriff gegen die Union.

Berlin. Nachdem der oberste Sozialdemokrat Kurt Beck am Wochenende dem Koalitionspartner Neoliberalismus und ein "Wegducken vor den sozialen Herausforderungen unserer Zeit" vorgeworfen hatte, legten gestern weitere Genossen mit giftigen Attacken nach. Becks designierte Stellvertreterin, Andrea Nahles, klagte, "dass die Union zu notwendigen Sozialreformen nicht mehr bereit ist". Der Haushaltspolitiker Carsten Schröder knöpfte sich gleich Angela Merkel vor: "Es gibt Riesen-Probleme bei dem Ziel, die Verschuldung deutlich zu senken. Aber die Kanzlerin ist in der Innenpolitik nicht vorhanden und gibt keine klare Ansage." Solche Nadelstiche sind nicht neu. Meistens suchte das Willy-Brandt-Haus die Heißsporne aus den eigenen Reihen aber gleich wieder einzufangen. Gestern war das anders. Nach der Präsidiumssitzung haderte auch Heil lautstark mit dem Zustand der Regierungsehe. "Es kann nicht sein, dass die Koalition nur noch die Kraft hat, sich gegenseitig zu blockieren." Keine Frage, die Genossen werden zunehmend nervös. Seit Monaten werfen die Umfragewerte tiefe Schatten, während sich die Union in der Popularität Angela Merkels sonnen darf. Obendrein herrscht inhaltlich Stillstand, was den Genossen besonders schwer zu schaffen macht, weil es um sozialdemokratisches Herzblut geht.

In Hungergehältern liegt sozialer Brennstoff

Stichwort Mindestlohn. Zwar hat auch die Union erkannt, dass in Hungergehältern sozialer Sprengstoff liegt. Doch ihre Bereitschaft, sittenwidrige Löhne gesetzlich zu verbieten, ist der SPD viel zu wenig.

Eine weitere zentrale Baustelle ist die Pflegeversicherung. Weil die von der SPD geforderte Einbeziehung der Privatkassen an verfassungsrechtlichen Hürden zu scheitern droht, mehren sich die Anzeichen für eine Minimallösung. So könnte der Beitrag um etwa 0,5 Prozentpunkte steigen, um ein paar Leistungsverbesserungen zu finanzieren. Im Gegenzug will die Union den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung weiter absenken, damit die Lohnnebenkosten in der Summe konstant bleiben. Auch beim Postmonopol liegen die Koalitionsparteien über Kreuz. Nach dem Scheitern einer EU-weiten Marktöffnung setzen sich die Genossen dafür ein, die alleinige Postzuständigkeit für die Zustellung von Briefen bis 50 Gramm auch nach dem 1. Januar 2008 beizubehalten. Wenn der deutsche Briefmarkt einseitig geöffnet werde, drohten Wettbewerbsverzerrungen und ein Verlust von 30 000 Jobs bei der Post. Als Buhmann haben die Genossen den CSU-Wirtschaftsminister ausgemacht. Michael Glos war es nicht gelungen, die EU-Länder auf eine Liberalisierung der Postmärkte einzuschwören.

Und als wäre das nicht schon Ärger genug, steht die SPD auch noch unter dem Druck einer erstarkenden Linkspartei. Gestern wurde bekannt, dass fünf junge SPD-Politiker aus Niedersachsen, darunter die ehemalige Juso-Landes-Chefin, zur Lafontaine-Truppe wechseln. Die Überläufer begründeten ihren Schritt mit "perspektivischen Fehlentwicklungen in der SPD". Das sei "keine Massenbewegung", meinte Generalsekretär Heil. Kämpferisch klang es nicht.

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