Rot-grünes Eigenlob stinkt der Union

BERLIN. Je näher die mutmaßlich vorgezogene Neuwahl am 18. September rückt, um so mehr scheint sich die Bundesregierung für ihr politisches Lebenswerk zu loben. Nicht nur im Internet leistet Rot-Grün ganze Arbeit auf dem PR-Sektor.

Auch in den großen Tageszeitungen finden sich immer wieder Anzeigen mit dem vertrauten Bundesadler. Mal wirbt das Forschungsministerium mit tüftelnden Kindern für Ganztagsschulen. Dann bekennt sich das Sozialministerium zur schönen Maxime "Wachstum fördern - Arbeitsplätze schaffen". Dazwischen rühmt das Wirtschaftsministerium die Segnungen der Agenda 2010 und verspricht: "Diesen Weg gehen wir weiter". Aus Sicht der Union führen solche Pfade geradewegs an den Rand des Rechtsbruchs. Bereits im Jahr 1977 hatte das Bundesverfassungsgericht den Regierungen von Bund und Ländern für die Vorwahlzeit äußerste Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsarbeit auferlegt. Diese Arbeit finde dort ihre Grenzen, wo die Wahlwerbung beginne, meinten die Richter damals. Der CDU-Haushaltsexperte Bernhard Kaster aus Trier fordert deshalb von Rot-Grün, die "steuerfinanzierte Parteiwerbung" sofort einzustellen. Im Bundeswirtschaftsministerium ist man sich freilich keiner Schuld bewusst: Von Vorwahlzeit könne keine Rede sein, weil der Wahltermin noch nicht einmal feststehe, stellte eine Sprecherin auf Anfrage klar. Auch würden die rechtlichen Bestimmungen strikt eingehalten. Dagegen führt Kaster den Visa-Untersuchungsausschuss ins Feld, wo SPD und Grüne gerade mit dem Hinweis auf Neuwahlen argumentiert hatten, um die Arbeit des Gremiums abzuwürgen. Sein Fazit: "Da sucht sich jeder das heraus, was ihm gerade passt." Rund 84,3 Millionen Euro stehen der Bundesregierung in diesem Jahr offiziell für Anzeigen, Plakate und Kampagnen zur Verfügung. Nach Kasters Erkenntnissen ist das aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn aus weiteren Titeln im Haushalt kämen noch einmal rund 100 Millionen Euro hinzu. Besonders gut gepolstert ist das Wirtschaftsministerium. Scheibchenweise erfuhren die Unionsvertreter im Haushaltsausschuss des Bundestages, dass sich Ressortchef Wolfgang Clement am Parlament vorbei insgesamt 15 Millionen Euro zusätzliches Geld genehmigen ließ, um die ungeliebte Hartz-Reform ins rechte Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Nach dem Gesetz ging die Sache zwar in Ordnung, weil Kassenwart Hans Eichel die Höchstgrenzen zur Bewilligung der Mittel eingehalten hatte. Doch für Kaster bleibt "ein bitterer politischer Beigeschmack, weil zu befürchten ist, dass sich die PR-Arbeit im Hause Clement vor der Wahl noch weiter verstärkt". Der offizielle Werbe-Etat des Wirtschaftsministeriums liegt nun bei satten 25 Millionen Euro. Selbst der PR-Haushalt des Bundespressamtes fällt mit 19 Millionen Euro deutlich geringer aus. Dabei soll dort die gesamte Regierung "vermarktet" werden. Bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai hatte die Bundesregierung nach eigenen Angaben bereits 44,7 Millionen Euro für publikumswirksame Zwecke verbraucht. In der kommenden Woche will die Union im Haushaltsausschuss noch einmal nachhaken. Es geht um 64 Rahmenverträge, die die Regierung unter anderem mit Betrieben und Agenturen für ihre Öffentlichkeitsarbeit abgeschlossen hat. Kaster bemängelt nicht nur die Fülle der Kontrakte. Wenn der Kern der Öffentlichkeitsarbeit von Werbeagenturen erledigt werde, entstehe viel politische Stimmungsmache. "Die eigentlichen Inhalte bleiben auf der Strecke", beklagt der CDU-Politiker.

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