Schröder und "die andere Seite des Kampfes"

BERLIN. Die Bundeswehr wird ihren Afghanistan-Einsatz über Kabul hinaus ausdehnen. Zur Sicherung des zivilen Wiederaufbaus sollen noch in diesem Jahr etwa 250 zusätzliche Soldaten in die nordafghanische Stadt Kundus verlegt werden. Das beschloss das Sicherheitskabinett unter Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin.

Die Opposition ist wie üblich skeptisch, der Bundeskanzler ist hingegen zuversichtlich: Wenn die Voraussetzungen gegeben seien, sagte Gerhard Schröder am Mittwoch nach einer Sitzung des "Sicherheitskabinetts" in der Bundeshauptstadt Berlin, werde man dem Bundestag den erweiterten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan vorschlagen. "Sinnvoll, notwendig und verantwortbar"

Die Regierung denke an 250 Soldaten, die in der Provinzstadt Kundus für Sicherheit und Ordnung sorgen sollen. Der Einsatz sei "sinnvoll, notwendig und verantwortbar", sagte Kanzler Gerhard Schröder. Zuvor hatte Schröder im Rahmen eines Informationsgesprächs die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien über die Lage in Afghanistan und die Pläne der Bundesregierung unterrichtet. Merkel sieht noch viele Fragen unbeantwortet

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel äußerte sich danach zurückhaltend, gelobte aber einen "verantwortungsvollen Umgang" mit dieser Frage. Allerdings müssten noch eine Vielzahl von Fragen, so die Länge des Einsatzes und die Sicherheitsvorkehrungen für die Soldaten, geklärt werden. FDP-Chef Guido Westerwelle meinte, seine anfängliche Skepsis über den Kundus-Einsatz sei "eher noch größer geworden". Hintergrund der Unterrichtung war und ist das Bemühen des Kanzlers, die Opposition einzubinden und eine möglichst breite Mehrheit für den notwendigen Bundestagsbeschluss zu finden. Er lege darauf "Wert". Zwar ist die erforderliche Ausweitung des UN-Mandats (Isaf) über den bisherigen Einsatzort Kabul hinaus noch nicht geklärt, aber nach Schröders Worten durchaus "erreichbar". Außenminister Joschka Fischer bemühe sich bereits um die Zustimmung der Vereinten Nationen. Schröders umfangreiche Erklärungen vor der Presse zu den Folgen des 11. September und den Kampf gegen den internationalen Terrorismus können jedoch auch als Hinweis gedeutet werden, dass sich Deutschland notfalls auch ohne erweitertes UN-Mandat in Kundus engagieren werde. Der Anti-Terror-Kampf habe jedenfalls immer auch eine "andere Seite" gehabt, nämlich "nation building" (Stabilisierung und Wiederaufbau eines Landes), sagte der Kanzler. Zugleich erinnerte er an den "Petersberger Prozess", der noch nicht beendet sei. Auf dem Petersberg bei Bonn hatte eine UN-Konferenz im Dezember 2001 Wege und Ziele zum Wiederaufbau Afghanistans beschlossen. Bisher sind amerikanische Truppen im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes "enduring freedom" in Kundus stationiert. Schröder wollte nicht näher darauf eingehen, ob die Bundesregierung mit ihrem Einsatzwillen auch die durch den Irak-Einsatz stark beanspruchte US-Armee entlasten wolle. Er betonte aber ausdrücklich die "zivile Komponente unseres Konzeptes". Im Vordergrund des Bundeswehr-Einsatzes in der afghanischen Provinz stehe der Aufbau der Infrastruktur (Straßen, Schulen, Krankenhäuser). Auch Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul, die am Mittwoch zu einem Besuch nach Kabul aufbrach, stellte die Entwicklung der Elektrizitäts- und Wasserversorgung, des Bildungs- und Gesundheitswesens in den Vordergrund deutscher Bemühungen. Insgesamt sind in der Krisenregion am Hindukusch gegenwärtig rund 2000 Bundeswehr-Soldaten im Rahmen des Isaf-Mandats stationiert. Über Geld wird nicht geredet

Über die Höhe der Kosten für das zusätzliche Engagement und die Herkunft der benötigten Mittel wollte der Kanzler nichts sagen. Nur soviel: "Das Geld wird aufgebracht, keine Frage". Kanzler Schröder dementierte aber die "200 bis 500 Millionen Euro", die der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann errechnet hatte. Diese Größenordnung träfe keinesfalls zu.

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