Sekt oder Selters?

BERLIN. Die CDU-Spitze will nach einem Wahlsieg schnellstmöglich eine große Einkommensteuerreform einschließlich einer Senkung der Steuersätze auf den Weg bringen. Zugleich soll die Mehrwertsteuer erhöht werden.

Noch wirft sich Angela Merkel nicht öffentlich ins programmatische Getümmel. "Geeinigt haben wir uns heute endgültig auf noch gar nichts", bemühte die CDU-Chefin gestern nach der Präsidiumssitzung ihrer Partei erneut das Unverbindliche, während andere Frontleute munter ihre Vorschläge oder sogar vermeintliche Ergebnisse verkündeten. Die Union ringt nach wie vor um ihr Wahlprogramm - und es hat den Anschein, als ob die Kanzlerkandidatin mittendrin immer noch nach ihrem Kurs sucht: Sekt oder Selters für den Wähler, Grausamkeiten ja oder nein? Merkel bleibt noch unkonkret

Viel Zeit dazu bleibt nicht mehr. Dem Vernehmen nach werden sich Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber am kommenden Donnerstag treffen, um die Details der federführenden Programmarbeit ihrer Generalsekretäre Volker Kauder (CDU) und Markus Söder (CSU) zu besiegeln. Das Papier mit dem Titel "Vorfahrt für Arbeit" soll dann zur Sichtung über das Wochenende weitergereicht werden an die Ministerpräsidenten der Union. Am nächsten Montag wird es schließlich bei einer gemeinsamen Präsidiumssitzung der Schwesterparteien abgesegnet. Ob die Union darin dann tatsächlich dem Wähler eine Rosskur verordnen oder möglichst viel Beruhigendes präsentieren wird, hütet Merkel nach wie vor wie ein großes Geheimnis: "Wir werden die Probleme benennen, in den Blick nehmen und lösen", so die Kandidatin schön unkonkret. Es heißt jedoch, am liebsten würde die Ostdeutsche eine Strategie wie seinerzeit Jürgen Rüttgers fahren, der im Wahlkampf in Nordhein-Westfalen weitgehend im Ungefähren geblieben war - und so für die CDU einen historischen Sieg errang. Vieles hält die Kandidatin noch offen, insbesondere in der Steuerpolitik. Denn alles, was im CDU-Präsidium beschlossen wird, muss auch noch mit der CSU abgestimmt werden. Zwar soll sich gestern in dem Gremium eine große Mehrheit dafür ausgesprochen haben, den Spitzensteuersatz ab 2007 von 42 auf 39 und den Eingangssteuersatz von 15 auf 12 Prozent zu senken und gleichzeitig die Ausnahmetatbestände im Steuerrecht weitgehend abzuschaffen. "Es ist nichts entschieden", meinte jedoch Merkel sicherheitshalber. Ähnlich hielt sie es beim Thema Erhöhung der Mehrwertsteuerer von 16 auf 18 Prozent: "Ich bestätige weder das Wort, noch gebe ich Auskunft", wiegelte sie ab. Und zu einem Fass, dass Parteifreunde gestern gänzlich neu aufmachten, sagte die CDU-Chefin lieber überhaupt nichts: Trotz jahrelanger Ankündigung soll die Ökosteuer nämlich nun doch nicht abgeschafft werden, glaubt man führenden Unionspolitikern. "Sie kann im Augenblick nicht ersetzt werden", befand beispielsweise Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt vor der Präsidiumssitzung. Die CDU-Chefin sucht weiter nach ihrem Steuerkonzept "aus einem Guss", wie sie gerne sagt. Das ist Schwerstarbeit, denn bei vielen Reformplänen muss sie auch noch Rücksicht auf die Länder nehmen, bei denen absolute Ebbe in der Kasse herrscht. Länder-Finanzminister denken an Blockade

Die Länderfinanzminister, heißt es aus der Parteispitze, würden deshalb mit Argusaugen darauf achten, was in der Berliner Parteizentrale erdacht werde - und wenn nötig blockieren. Steuererhöhungen zum Stopfen von Haushaltslöchern werde es aber nicht geben, versprach Merkel - allerdings sei auch für "riesige Steuerentlastungen" nach einem Wahlsieg kein Spielraum.

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