Sieg an der Säule

"Es ist ein überwältigender Empfang", sagte der US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama gestern Abend bei seiner Rede vor der Siegessäule in Berlin - und das war es tatsächlich.

Berlin. Darauf haben die Menschen bereits ungeduldig gewartet. Es ist 19.20 Uhr, der Jubel wird frenetisch, US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama kommt von hinten um die Siegessäule herum, er schreitet über einen Laufsteg zu seinem Podium. Freudig lächelnd und winkend, er klatscht den Massen dankend Beifall. "Obama"-Sprechchöre begleiten ihn, "Yes we can", "ja, wir können das schaffen", rufen die Menschen seinen Wahlkampfslogan.

"Ich bedanke mich bei den Bürgern Berlins", ist sein erster Satz, und wieder wird der Polit-Superstar lautstark gefeiert. Die Stadt, die laut Obama "den Traum der Freiheit kennt", hat einen Politiker schon lange nicht mehr so innig umarmt. Der Empfang ist triumphal. Gut 30 Minuten dauert seine Rede, danach folgt ein ausgiebiges Bad des Kandidaten in der Menge. Amerikanischer Wahlkampf in Berlin.

Rund 200 000 Menschen waren vor die Siegessäule auf die Straße des 17. Juni geströmt. Das Podium Obamas steht leicht schräg. Er hat den Blick dadurch nicht direkt auf seine "Fans" gerichtet, sondern zur seitlich aufgebauten Tribüne mit den vielen Fernsehkameras. Es geht um die Bilder, worum sonst, die zur besten Sendezeit nach Amerika übertragen werden. 1000 Journalisten aus aller Welt sind angereist, das Spektakel kostet Obama 420 000 Euro, heißt es aus Veranstalterkreisen. "Bezahlt wurde vorab."

Eine Woche lang war ein 30-köpfiges Team in der Stadt und sondierte Plätze, managte die Logistik und die Sicherheit. Sehenswürdigkeiten stehen überraschend nicht auf dem Programm Obamas, zwischen den offiziellen Terminen geht er lieber in das Fitness-Studio eines Berliner Luxushotels. Der Kandidat verschwitzt im Jogginganzug, schöne Inszenierung, das zeigt Tatkraft. Ansonsten macht sich Obama für die Berliner eher rar.

Der Tag in Berlin beginnt für ihn mit einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel. Überpünktlich erreicht die Kolonne Obamas das Kanzleramt. Keine US-Fahne weht, keine Soldaten marschieren zur Begrüßung auf, der Mann ist Senator, mehr nicht. Militärische Ehren sieht das Protokoll nicht vor. "Hello!" ist sein erstes öffentliches Wort auf deutschem Boden - und es trifft ausgerechnet eine elfte Schulklasse aus dem saarländischen Dillingen, die gerade das Amt besichtigt und Obama am Eingang trifft. Vor dem Kanzleramt stehen auch Jakob und Jennifer, zwei Amerikaner in blauen Obama-T-Shirts, die extra aus Zürich angereist sind. Die Veranstalter gehen davon aus, dass Tausende Auslands-Amerikaner nach Berlin gekommen sind, um die Rede zu hören. "Man fühlt sich gut mit ihm, das ist das erste Mal, dass ich einen Kandidaten mag", erklärt der 32-Jährige Jakob. Obama stehe für Hoffnung und nicht für Angst.

Drinnen empfängt Angela Merkel ihren populären Gast, es wird gelacht, man geht auf Tuchfühlung. Nur wenige schreibende Journalisten sind zugelassen. Merkel zeigt Obama vom Balkon ihres Büros aus kurz das Regierungsviertel, Touristen jubeln, Obama winkt zurück.

"Sehr offen, sehr tief", so die offizielle Erklärung, erörtern Merkel und Obama eine Stunde lang außenpolitische Themen - doch in Wahrheit ist es vor allem ein gegenseitiges Beschnuppern. Ähnlich verhält es sich beim Besuch bei Außenminister Frank-Walter Steinmeier am frühen Nachmittag. Dieser begrüßt den Senator aus Illinois mit offenen Armen, man hat schon mal telefoniert.

Klaus Wowereit ist der zweite Sieger



Der Eingang des Nobelhotel Adlon ist derweil von Hunderten Schaulustigen förmlich belagert, es liegt direkt am Brandenburger Tor, wo Obama nach dem Willen der Kanzlerin nicht sprechen darf. Und was ihn angeblich wohl doch leicht verärgert hat.

Mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) trägt sich der Senator ins Goldene Buch der Stadt ein. "Berlin ist ein Symbol für den Sieg der Hoffnung über die Angst", liest man. Zusammen mit dem Senator zeigt sich "Wowi" am Fenster der Suite, um ein Blick auf das Tor zu werfen. Applaus brandet auf. Im Wettbewerb darum, wer sich von den deutschen Politikern am besten mit Obama in Szene setzen kann, gewinnt nicht Merkel, nicht Steinmeier, sondern Wowereit. Für die Berliner gibt es aber nur einen Sieger: Obama.

extra

Werbung für Obama: Millionenmal wurde das Lied "Yes We Can" im Internet angeklickt und heruntergeladen. Im Video sieht man immer wieder einen Mann — nämlich Barack Obama - im Anzug, der eine Rede hält und "Yes we can!" - "Ja, wir können das!" - sagt. Das Lied gemacht hat aber nicht der Politiker selbst, sondern der Musiker Will.I.Am von den Black Eyed Peas. Viele Stars haben ihm geholfen, und singen und sprechen im Video. Sie alle unterstützen Obama. Sie wollen, dass er der nächste Präsident der USA wird. Im Internet hat sich das Lied schnell verbreitet. Doch im Netz ist auch Obama selbst mit seinem Wahlkampfteam sehr aktiv. In Blogs verbreiten seine Anhänger Obamas Botschaft. Auf seiner Website - www.barackobama.com - kann man Poster, Videos und Fotos runterladen.

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