Ständige Achterbahnfahrt

TRIER. Für viele ist die Diagnose niederschmetternd: ungewollt kinderlos. Immer mehr Paare sind betroffen. Ihnen bleibt nur der Gang in eine Kinderwunschklinik.

Sie sind verzweifelt. Ihre Lebensplanung droht zu zerbrechen. Nicole und Jörg sind nervlich am Ende. Wieder einmal hat es nicht geklappt. Seit vier Jahren will das Paar (beide 35) ein eigenes Kind, seit drei Jahren sind beide in Behandlung. Ohne Erfolg. Vieles haben sie über sich ergehen lassen. Vor allem Nicole: Hormonbehandlungen, ständige Arztbesuche, immer wieder die Hoffnung, dass es dieses Mal geklappt hat. Und dann immer wieder der emotionale Absturz. Wie eine Achterbahnfahrt.Über einer Million Paaren in Deutschland geht es so: ungewollt kinderlos. Tendenz steigend. Jedes siebte Paar ist betroffen. Ohne medizinische Hilfe wird ihr Kinderwunsch wohl für immer unerfüllt bleiben. Die Reproduktionsmedizin, die 1978 mit der Geburt des ersten so genannten Retortenbabys Louise Brown in England ihren ersten Erfolg feierte, hat sich stetig weiterentwickelt. Mit einer Erfolgsquote von bis zu 30 Prozent und immer besseren Methoden verhilft sie immer mehr Paaren zu ihrem Wunschkind. 20 000 Kinder (knapp 15 Prozent aller Schwangerschaften) entstehen jährlich im Reagenzglas. Zumindest bislang. Durch die Gesundheitsreform und die damit verbundene Eigenbeteiligung ist die Zahl schätzungsweise zurückgegangen. Mit Kosten von im Schnitt 1500 Euro pro Behandlungszyklus - meist sind mehrere notwendig - können sich immer weniger Paare den Gang in spezielle Kinderwunschkliniken leisten.

Das weiß auch Mohsen Satari. Er hat im Wissenschaftspark auf dem Trierer Petrisberg das erste Reproduktionszentrum in der Region eröffnet - das dritte in Rheinland-Pfalz. "Es wird von der Politik einfach nicht anerkannt, dass Kinderlosigkeit eine Krankheit ist", sagt Satari, der lange Zeit im Hamburger Kinderwunschzentrum gearbeitet hat. Zusammen mit seinem Team aus Ärzten, Biologen und Medizinisch-Technischen Assistenten versucht der Mediziner durch modernste Reproduktionstechnik den Erfolg zu erhöhen und damit die finanzielle Belastung für die Paare zu minimieren. "Wir können eine Schwangerschaft ermöglichen", gibt sich Satari selbstbewusst. Bislang mussten Betroffene bis nach Saarbrücken, Mainz oder Neuwied fahren.

Drei Methoden kommen üblicherweise für eine Kinderwunschbehandlung in Betracht: Insemination (Samen werden der mit Hormonen behandelten Frau injiziert), In-Vitro-Fertilisation (Ivf, Eizellen werden außerhalb des Körpers, im Reagenzglas befruchtet und später der Frau wieder verabreicht) und die intrazytoplasmatische Spermium-Injektion (Icsi, eine einzige Samenzelle wird im Reagenzglas direkt in eine Eizelle injiziert). Doch auch bei den Reagenzglasbefruchtungen machen gesetzliche Bestimmungen den Medizinern und Paaren das Leben schwer. Durch das eng gefasste Embryonenschutzgesetz dürfen nicht mehr als drei befruchtete Eizellen transferiert werden.

Und im Gegensatz zu anderen Ländern müssen in Deutschland die Embryos bereits nach zwei Tagen transferiert werden, unabhängig wie sie sich entwickelt haben. Satari fordert eine Änderung des Gesetzes, um den Erfolg zu erhöhen.

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