Stoiber wirbelt Staub auf

BERLIN. Der "glücklichste Formulierer", frotzeln CDU-Politiker mitunter, sei der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber noch nie gewesen. Gerne lehnt sich der CSU-Chef verbal weit aus dem Fenster und bringt so oft andere in die Bredouille und gleichzeitig auf die Palme. Gestern war wieder so ein Tag eines Stoiber’chen Bärendienstes.

Ausgerechnet, als die Spitzen von CDU und CSU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus zusammenkamen, um die Strategie für den weiteren Wahlkampf zu debattieren, lief am Mittwoch ein Interviewsatz von CSU-Chef Edmund Stoiber über die Ticker: "42 bis 45 Prozent. Das können und müssen wir erreichen." Mit "wir" war Kanzlerkandidatin Angela Merkel gemeint. Dem Kompetenzteam der Union will der zaudernde Stoiber nicht angehören, dafür gibt er aber deutliche Erfolgsziele aus: Zwischen dreieinhalb und sechseinhalb Prozent muss Merkel also mehr holen als die 38,5 Prozent, die er als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2002 einheimste. Außerdem, ergänzte der Bajuware in einem Interview stolz, habe er mit seiner Kandidatur damals schon einen erheblichen Beitrag geleistet, dass Merkel nun die Chance auf den Wahlsieg habe. Typisch Stoiber - in unregelmäßigen Abständen muss der weiß-blaue Fürst sich und andere immer mal wieder von seiner Bedeutung neu überzeugen. Nicht jeder in der Union ist jedoch über die in die Welt gesetzte, durchaus hohe Messlatte erfreut. Denn ab jetzt wird Merkel entweder daran gemessen oder im besten Falle nur daran erinnert werden. Schon feixt SPD-Kanzler Gerhard Schröder: "Wenn man die Hürde so hoch legt, dann schafft man natürlich die besten Voraussetzungen dafür, dass man jemandem die Schuld zuweisen kann." Sieht Stoiber also in Merkel schon den Sündenbock, will er sie gar demontieren, wie der Kanzler glauben machen will? Rein rechnerisch hat der Bayer nun mal Recht - ob es aber klug war, dies auch auszusprechen, steht auf einem anderen Blatt: Soll es nach der Bundestagswahl am 18. September eine solide schwarz-gelbe Mehrheit geben, muss die Union angesichts der schwächelnden FDP ein Wahlergebnis weit im 40er-Prozent-Bereich einfahren. Ansonsten droht die ungeliebte große Koalition. Nun ist bei Stoibers Prozentvorgabe derzeit der Wunsch noch Vater des Gedankens. Zwar liegen CDU und CSU satt vor der SPD, die Umfragen zeigen für die Union aber nach unten. Sein Vorstoß könnte daher auch als Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins der Unionsparteien nach der geduckten Haltung zu Beginn des Wahlkampfes gedeutet werden. Deutlich aggressiver gehen jetzt auch die beiden Generalsekretäre von CDU und CSU ans Werk: Volker Kauder und Markus Söder überboten sich gestern in Frontalangriffen insbesondere gegen den roten Gegner. Schröder sei der "unglaubwürdigste Kanzler" in der Geschichte der Bundesrepublik und lüge sich "durchs Land und die Fernsehanstalten", bellte etwa Söder. Starker Tobak, um wieder in die Offensive zu kommen. Aber ob das ausreicht? Entscheidender dürfte sein, wen Merkel in der kommenden Woche in ihrem Kompetenzteam für Wirtschaft und Finanzen aufbietet. Bislang droht ausgerechnet in diesem Bereich noch die große Leere.

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