Tödliche Infektionen

Gesundheitsexperten schlagen Alarm: Durch falsche Behandlung und mangelnde Sorgfalt sterben in deutschen Kliniken jährlich rund 17 000 Menschen.

Berlin. Jene 17 000 Fälle sind zwar nur 0,1 Prozent aller Krankenhauspatienten, aber das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Matthias Schrappe, spricht von einer "enormen Zahl". In erster Linie würden solche Fälle durch plötzliche Infektionen und falsche Arzneimittel verursacht. Bereits vor zwei Jahren hatten Krankenkassen, Ärztevertreter und Wissenschaftler deshalb ein "Aktionsbündnis Patientensicherheit" (APS) ins Leben gerufen, das sich um vorbeugende Programme kümmert, um die Situation zu verbessern. Das Bundesgesundheitsministerium unterstützt diese Arbeit mit einem Kostenzuschuss von insgesamt 400 000 Euro. Nach Angaben des Aktionsbündnisses ist etwa jeder zehnte Krankenhauspatient bei seiner Behandlung mit Komplikationen konfrontiert. Bei 20 bis 40 Prozent von ihnen wären sie vermeidbar gewesen. Eine weitere APS-Analyse kam jetzt zu dem Schluss, dass es für weibliche Patienten ein höheres Risiko für Behandlungsfehler gibt, als bei Männern. Die Ursachen dafür sind noch nicht geklärt. "Ungewollte Zwischenfälle und Fehler in der medizinischen Behandlung sind ein ernst zu nehmendes Problem in der Gesundheitsversorgung", klagt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Es sei eine "traurige Tatsache", dass sie sich nie ganz vermeiden ließen. Dennoch müsse es zu einer weiteren Verbesserung der Patientensicherheit kommen, fordert die SPD-Politikerin. Oft sind es bloße Schlampereien, die zu einer verheerenden Wirkung führen. Dazu gehören nach Angaben Schmidts Seitenverwechslungen, weil zum Beispiel das zu operierende Bein anstatt auf der Haut auf einem Thrombosestrumpf gekennzeichnet ist, der unmittelbar vor dem Eingriff entfernt wurde. Auch um die Hygiene steht es in manchen Kliniken offenbar nicht zum Besten. So ist das APS Mitinitiator einer Kampagne, die sich die Verminderung von Wundinfektionen durch eine verbesserte Desinfektion zum Ziel gesetzt hat. Ihr Motto klingt wie eine Binsenweisheit: "Aktion Saubere Hände". Schrappe spricht gleichwohl von einer "der durchschlagendsten Verbesserungsmöglichkeiten überhaupt". Einen Schutz vor unerwarteten Komplikationen sieht die Gesundheitsministerin auch in der Vermeidung von Arzneimittelunverträglichkeiten. Gesundheitskarte soll weiterhelfen

Ihre besondere Hoffnung gilt dabei der elektronischen Gesundheitskarte, mit der eine lückenlose Dokumentation verschriebener Medikamente ermöglicht werden soll. Durch den gespeicherten Notfalldatensatz soll die Karte darüber hinaus Rückschlüsse auf Allergien ermöglichen. Wann die neue Technik zum Masseneinsatz kommt, ist aber noch unklar. Nach den ursprünglichen Plänen sollte bereits im Jahr 2006 jeder Versicherte eine elektronische Gesundheitskarte in der Tasche haben. Das Wichtigste für Schmidt bleibt indes, dass über Behandlungsfehler überhaupt gesprochen wird. Als sie vor sechs Jahren Gesundheitsministerin wurde, sie das noch ein "Verbrechen" gewesen, sagt Schmidt. In der Vorwoche hatte die Bundesärztekammer eine Statistik über medizinischen Pfusch vorgelegt, die sich allerdings weniger dramatisch liest als die Zahlen des "Aktionsbündnisses Patientensicherheit".

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