Täter werden entlassen, Opfer bleibt man ein Leben lang

TRIER/MAINZ. Wer ein Verbrechen begeht, wird zum Gegenstand öffentlichen Interesses und öffentlicher Bemühungen. Opfer sein ist immer noch weitgehend Privatsache. Auch die gesetzlichen und privaten Hilfen ändern an diesem Sachverhalt wenig. In einer Serie wird sich der TV mit konkreten Opfersituationen befassen.

Ein Mann wird in Konz an einer Tankstelle überfallen, sucht danach Hilfe beim Psychotherapeuten und will mit allen Folgen der Tat - Ermittlungen, Gerichtsverhandlungen, Presseberichten - absolut nichts mehr zu tun haben. Eine Frau wird von ihrem Mann vergewaltigt und mehrfach misshandelt und bricht noch Jahre später heftig in Tränen aus, wenn sich von der Tat erzählt. Gefängnisbeamte, die den Ausbruch eines Schwerverbrechers erlebten, müssen sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen. Leid der Geschädigten gilt immer noch als Privatsache

Verbrechen hinterlassen Opfer. Und während dem Täter eine staatlich geförderte Maßnahme zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft winkt, gilt das Leid der Geschädigten immer noch als Privatsache. Obwohl die Folgen gravierender sind als für die meisten verurteilten Täter. "Täter werden irgendwann entlassen und können dann ein neues Leben aufbauen", sagt Veit Schiemann von der Bundesgeschäftsstelle der Opferhilfe-Organisation "Weißer Ring" in Mainz. "Aber Opfer bleibt man ein Leben lang." Oft würden Traumatisierungen Jahre, bisweilen Jahrzehnte nach dem schrecklichen Geschehen wieder aufbrechen. Dann genügen vage Erinnerungen, um die seelischen Reaktionen von damals wieder auszulösen. Ein Auto derselben Marke wie das bei der Tat zum Beispiel. Nicht immer sind es Kapitalverbrechen, die Traumatisierungen auslösen. Manchmal genügt laut Schiemann auch ein Wohnungseinbruch, um tiefe Verstörungen zu hinterlassen. "Dass der Verbrecher in meinen intimsten Sachen gewühlt hat, ist für mich sehr schlimm." So zitiert Rita Alexas von der Trierer AG Starthilfe eine Geschädigte. Die AG Starthilfe bemüht sich um ein Verfahren, das gerade bei Jugendlichen Erfolg verspricht: den Täter-Opfer-Ausgleich. Auf freiwilliger Basis können sich Täter und Opfer treffen und eine Wiedergutmachung der Schäden vereinbaren. Das Spektrum der Maßnahmen ist breit und reicht von einigen Stunden gemeinnütziger Arbeit bis hin zum finanziellen Ausgleich. Im Jahr 2004 gab es immerhin 155 Einigungen, allerdings auch 74 Fälle, in denen eine Übereinkunft misslang. Auch der einst von Eduard Zimmermann gegründete Weiße Ring engagiert sich für Opfer - verdienstvoll, aber im Umfang gleichfalls begrenzt. Im Jahr 2004 wurden in ganz Rheinland-Pfalz 887 Personen von den 180 ehrenamtlichen Mitarbeitern des Weißen Rings betreut, personell und auch materiell. Auch nach dem Opfer-Entschädigungsgesetz sind unter bestimmten Bedingungen finanzielle Hilfen möglich. Schließlich leistet die "Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz" Geschädigten finanzielle Unterstützung. Staatliche Unterstützungseinrichtungen zahlen allerdings nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen. Entsprechend gering ist die Zahl der Hilfesuchenden. 710 Anträge auf Opferentschädigung wurden im Jahr 2004 gestellt und nur 305, knapp 43 Prozent davon, auch anerkannt. Noch geringer ist die Zahl der Hilfestellungen bei der rheinland-pfälzischen Stiftung Opferhilfe. Dort gab es 2004 und im laufenden Jahr zusammen gerade mal 15 anerkannte Fälle, in denen Entschädigungen gezahlt wurden. Zum Vergleich: Im Jahr 2004 kam es in Rheinland-Pfalz zu 3729 Verurteilungen wegen Gewaltdelikten.Kein Geld ohne körperliche Schäden

Vor der Entschädigung stehen hohe Hürden. Wer nach dem Opferentschädigungsgesetz Geld bekommt, muss körperlich dauerhaft beeinträchtigt und meist erwerbsgemindert sein. Auch der Geschädigte beim Konzer Tankstellenüberfall ging leer aus. Die Voraussetzung für eine Entschädigungszahlung sei nicht gegeben, hieß es in der Ablehnungsbegründung. Eine körperliche Verletzung habe nicht vorgelegen, denn die Waffe des Täters sei zwar durchgeladen, aber gesichert gewesen. Hätte der Räuber geschossen, wäre zwar die Opferhilfe fällig gewesen, aber das Opfer wäre wahrscheinlich tot. Vom 7. Dezember bis zum 13. Januar ist im Weltkulturerbe Völklinger Hütte eine Ausstellung über Verbrechensopfer zu sehen, täglich 10 bis 18 Uhr (24. Dezember 10 bis 12 Uhr; 25. und 31. Dezember geschlossen). Telefon 06898/9100-0, www.voelklinger-huette.org.

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