Tauziehen um die Milliarden

BERLIN. In der großen Koalition bahnt sich ein handfester Streit über die gestern vom Bundeskabinett verabschiedete Unternehmenssteuerreform an. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Wirtschaft Nachbesserungen in Aussicht stellte, gehen der SPD schon die jetzt geplanten Entlastungen viel zu weit.

Eine strikte Kostenneutralität sei offensichtlich nicht gewährleistet. Deshalb lehne er die Reform kategorisch ab, sagte der SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner unserer Zeitung. "Die Gewinne der Unternehmen sind enorm, und es ist überhaupt nicht einzusehen, dass denen, die sehr viel haben, noch zusätzlich etwas vor die Tür gekippt wird". Er rechne im Bundestag mit einer "erheblichen Zahl" von Gegenstimmen seiner Partei, sagte Schreiner. SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles befürchtet, dass mit der Merkel-Offerte an die Wirtschaft zusätzliche Steuerausfälle verbunden sind. "Das können wir nicht akzeptieren", sagte Nahles unserer Zeitung. Der finanzpolitische Sprecher der Union, Michael Meister, mahnte die Genossen derweil zur Koalitionsdisziplin: Von Parteichef Kurt Beck und dem Fraktionsvorsitzenden Peter Struck erwarte er, "dass sie die notwendigen Mehrheiten organisieren und den Bundesfinanzminister stützen."

Trotz aller Widerstände hatte die Regierung den Gesetzentwurf zur Reform gestern auf den parlamentarischen Weg gebracht. Das Projekt soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden und 2008 in Kraft treten. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) versicherte erneut, dass es sich nicht um ein Steuergeschenk für Unternehmen handele, sondern um eine "rentable Investition in den Standort Deutschland".

Kernstück seiner Vorlage ist die Absenkung der steuerlichen Gesamtbelastungen um fast zehn auf knapp 30 Prozent. Mit dieser international konkurrenzfähigen Besteuerung soll es für einheimische Unternehmen attraktiver werden, ihre Erträge in Deutschland zu versteuern, anstatt sie ins Ausland zu verlagern. Zur Gegenfinanzierung werden legale Steuerschlupflöcher geschlossen. Darunter fallen verschärfte Abschreibungsregelungen. So sollen etwa Zinsen nur noch begrenzt als Betriebsausgaben absetzbar sein. Unter dem Strich fallen für den Staat trotzdem deutliche Einnahmeverluste an. Wenn alle Be- und Entlastungsmaßnahmen gleichzeitig wirken, bleibt den Unternehmen eine Entlastung um fünf Milliarden Euro pro Jahr.

In dieser Rechnung seien aber keine "Selbstfinanzierungselemente" enthalten, betonte Steinbrück. Soll heißen: Wenn die Konjunktur nachhaltig floriert, können sich die Steuerausfälle weiter minimieren.

Zu den Mindereinnahmen für die öffentliche Hand trägt auch eine Neuregelung für private Kapitalanleger bei. Ab Januar 2009 ist eine Abgeltungssteuer auf alle Zinsen, Dividenden und privaten Veräußerungsgewinne vorgesehen. Unter Berücksichtigung des Sparerfreibetrags und der Werbungskostenpauschale (insgesamt 801 Euro für Ledige/1602 Euro für Verheiratete) beträgt der Steuersatz dann einheitlich 25 Prozent. Derzeit lastet auf solchen Erträgen der individuelle Steuersatz.

Für ab 2009 angeschaffte Wertpapiere spielt auch die Haltedauer keine Rolle mehr. Derzeit sind private Veräußerungserlöse bei Wertpapieren steuerfrei, wenn diese länger als ein Jahr im Besitz sind. Falls der persönliche Steuersatz bei der Einkommenssteuer geringer als 25 Prozent ist, gilt weiterhin dieser niedrigere Satz.

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