Tödliche Geschäfte

Berlin. "Der internationale Handel mit Kleinwaffen, wozu unter anderem Pistolen, Gewehre, Mörser und Granatwerfer gehören, muss viel wirksamer kontrolliert werden." Denn "Kleinwaffen sind die wahren Vernichtungswaffen unserer Zeit", sagte Heide Simonis, die Vorsitzende von Unicef Deutschland, am Freitag in Berlin.

Die Bundesregierung müsse sich deshalb auf der am 26. Juni in New York beginnenden zweiten UN-Kleinwaffen-Konferenz für ,,konkrete und verpflichtende Regelungen einsetzen, auch wenn einige Staaten dies offenbar verhindern wollen". Deutschland müsse eine "Vorreiterrolle" übernehmen. Anders als bei dem bestehenden Programm der Vereinten Nationen sollten neben Waffen in staatlichem Besitz künftig auch solche in den Händen von Privatleuten und Milizen einbezogen werden. USA und Russland als Blockierer

Diese Forderungen stellten am Freitag das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, und das Internationale Konversionszentrum BICC auf einer Pressekonferenz. Fünf Jahre nach der ersten internationalen UN-Kleinwaffenkonferenz gebe es noch immer nicht genügend Fortschritte. Vor allem die USA, Russland und China stemmten sich gegen eine strengere Reglementierung, verbindliche Vorschriften und mehr Transparenz bei Waffengeschäften. Die Unicef-Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Friedensbemühungen gerade in der Republik Kongo durch den massenhaften Einsatz von Kleinwaffen, auch in den Händen von Kindersoldaten, sehr erschwert würden. Bis zu 18 000 Kinder stünden im Ostkongo unter Waffen, sie würden missbraucht und zum Töten gezwungen. Dort seien in den vergangenen acht Jahren vier Millionen Menschen ohne flächendeckende Bombardierungen oder den Einsatz schwerer Waffensysteme ums Leben gekommen. Opfer seien meist Zivilisten. Kleinwaffen, die von einem Menschen allein bedient werden können, ermöglichten es, dass weltweit 250 000 Kinder als Soldaten missbraucht würden. Mit Kleinwaffen, zum Beispiel der russischen Kalaschnikow oder dem deutschen G3-Gewehr, werden laut Kinderhilfswerk mehr Menschen weltweit getötet als mit allen anderen Waffensystemen zusammen. Wenn von Kriegswaffen die Rede ist, geht es meist um Waffengeschäfte großen Stils, um Milliarden-Deals: Die Lieferung von Panzern oder Kriegsschiffen an andere Länder, auch außerhalb von EU und Nato. Es geht um Kampfflugzeuge oder um Raketen. Darunter kann sich jeder was vorstellen. Und darum kümmert sich in ziemlicher Regelmäßigkeit auch die Politik, vor allem wenn es um Waffenlieferung an Länder und Regionen geht, die unseren demokratischen Vorstellungen nicht entsprechen, wo Krisen und Unruhen herrschen. Auch Deutschland ist ein großer Waffenproduzent, Kriegsgerät "Made in Germany" hat einen exzellenten Ruf. Damit wird im Export viel Geld verdient, was wiederum Arbeitsplätze sichert.Positives Attest für Deutschland

Heide Simonis attestierte den deutschen Regierungen gestern gleichwohl, dass sich die Bundesrepublik bei Waffenexporten in aller Regel vorbildlich verhielte. Was aber verdrängt und auch hierzulande kaum öffentlich diskutiert werde: Die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit seien Kleinwaffen und leichte Waffen. Sie brächten jedes Jahr rund 500 000 Menschen den Tod, darunter Tausenden Kindern und Jugendlichen. Bis zu 90 Prozent aller Kriegsopfer werden heute mit Kleinwaffen getötet. Sie sind billig, leicht zu beschaffen und einfach zu bedienen. So seien G3-Schnellfeuergewehre auf manchen Märkten im Kongo für umgerechnet 40 Euro zu bekommen. Ob Pistolen, Gewehre, Handgranaten: Die Flut der über 500 Millionen Kleinwaffen weltweit hat Gewalt und Krieg in jeden Winkel der Erde getragen. In den Konflikten und Kriegen von heute kämpfen meist nicht reguläre Armeen, sondern bewaffnete Gruppen gegeneinander oder gut ausgerüstete Gruppen gegen staatliche Armeen. Viele Friedensbemühungen, so Simonis gestern, würden "durch die massenhafte Verbreitung von Kleinwaffen erheblich erschwert". Weltweit seien davon rund 600 Millionen im Umlauf. Umgerechnet käme somit eine Waffe auf zehn Menschen.

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