Tue Gutes - und fülle Formulare aus

Sie schuften ohne Lohn für kranke Angehörige oder für ihren Verein. Und doch legt ihnen die Bürokratie nichts als Steine in den Weg, die unnötig Kraft, Nerven und auch Geld kosten. Erstmals liegt jetzt eine detaillierte Untersuchung darüber vor, wie sehr der Verwaltungskram Menschen im Alltag konkret belastet. Und wie der Papierkram verringert werden könnte.

Berlin. Die Bertelsmann-Stiftung hat drei typische Einzelfälle unter die Lupe genommen, drei Menschen, deren Tätigkeit für eine ganze Fallgruppe steht. Eine Mutter, die ein schwerstbehindertes Kind versorgt, eine Frau, die ihren demenzkranken Vater pflegt, und den Vorsitzenden eines kleinstädtischen Fußballvereins. Detailliert wurde ermittelt, welche Verwaltungsarbeiten zu erledigen sind, wie lange sie dauern, und was sie kosten. Diese Standardkosten wurden hochgerechnet. Ergebnis: In Deutschland gehen viele Millionen Arbeitsstunden und Euro für den Papierkram drauf. Schon mit leichten Änderungen ließe sich etliches davon einsparen.Beispiel Fußball-Verein: Ein ehrenamtlicher Chef eines Amateurvereins braucht 432 Stunden im Jahr nur für Verwaltung. Hochgerechnet auf alle 26 000 Fußball-Vereinspräsidenten in Deutschland sind das über elf Millionen Stunden. 23 verschiedene Informationspflichten muss er erfüllen, für die Buchführung, die Einladung und Protokollierung von Vereinsversammlungen und die Rechenschaftslegung. Für jedes Vereinsfest muss eine Schankgenehmigung eingeholt werden; dabei würde es auch reichen, sie gleich für mehrere Feste auszustellen. Und jede Satzungsänderung muss beim Notar angemeldet werden. Beim Amtsgericht wäre es kostenlos.Beispiel Altenpflege: Zwar nimmt die Verwaltungsarbeit hier nur 20 Stunden im Jahr in Anspruch, aber wegen der Masse der Fälle (1,2 Millionen) sind das bundesweit 23 Millionen Arbeitsstunden jährlich, von denen ein Viertel vermeidbar wäre. Etwa, wenn Hilfsmittel für dauerhaft Gebrechliche nicht immer neu beantragt werden müssten. Oder wenn Rezepte längere Gültigkeit hätten. Dann würden viele Wege entfallen. Fraglich ist nur, ob die Ärzte das gut fänden. Viel Zeit geht auch dafür verloren, den Gesetzesdschungel zu durchdringen. Hier würden Pflegestützpunkte und wohnortnahe Beratung helfen.Beispiel schwerstbehindertes Kind: Die Probleme sind hier ganz ähnlich wie bei der Pflege Älterer, der Verwaltungsaufwand ist mit 30 Stunden pro Jahr aber etwas höher. Ein Info-Portal im Internet würde den Eltern viel Sucherei abnehmen, Quartals- oder Halbjahresrezepte würden auch hier Wege ersparen. Aufwendig ist das Sammeln von Belegen für die Steuererklärung. Ärgerlich: Selbst im untersuchten Fall, einem von Geburt an schwerstbehinderten Kind, bestanden die Behörden auf eine Einschulungsuntersuchung, die den längst erwiesenen Befund erbrachte, dass das Kind nicht auf eine Regelschule kann. 1,8 Millionen der in dieser Fallgruppe aufgewandten fünf Millionen Arbeitsstunden ließen sich vermeiden. Bei der Untersuchung hat die Bertelsmann-Stiftung nach den Methoden gerechnet, die auch die Bundesregierung für ihr Projekt des Bürokratieabbaus benutzt. Die dänische Unternehmensberatung "Rambøll-Management", die die Studie erarbeitet hat, sieht nun die Politik in der Pflicht, auch für die Bürger etwas zu tun.

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