Verteidigungsminister attackiert Opposition Experten: Soldaten dürfen Taliban gezielt töten

Nach den Vorwürfen in der Kundus-Affräre geht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in die Gegenoffensive. Seinen Kritikern aus der Opposition warf er vor, die aufsehenerregenden Details des Luftangriffs vom September schon seit Anfang November zu kennen. Die Diskussion um den Luftangriff im afghanischen Kundus entzündet sich vor allem an der Frage: Was dürfen deutsche Soldaten in Afghanistan?

Berlin. Nach einem Wochenende voller Attacken gegen ihn begann Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Sonntagabend mit der Gegenwehr: Auf dem RTL-Sofa von Günther Jauch erklärte Guttenberg, er werde, "auch wenn es mal stürmt, stehen bleiben. So bin ich erzogen, und so will ich das auch handhaben."

Rücktritt? Nein, danke. Und gestern dann attackierte er vehement die Opposition: "Was den Vorwurf der Täuschung und der Lüge in meiner Amtszeit betrifft, kann ich nur sagen, dass sich Herr Gabriel und Herr Trittin hüten müssen, sich nicht selbst dem Vorwurf der Täuschung auszusetzen", richtete er an die Adresse des SPD-Chefs und des grünen Fraktionsvorsitzenden. Guttenberg will raus aus der Defensive, und das möglichst schnell.

Die Affäre um die Angriffe auf zwei Tanklaster in Afghanistan mit bis zu 142 Toten wird schließlich immer verzwickter. Vor allem, weil scheibchenweise neue Details öffentlich werden, die den Angriff in völlig anderem Licht erscheinen lassen: So räumte Guttenberg inzwischen selber ein, dass das Ziel der Bomben auch Mitglieder der Taliban gewesen seien. Dies sei der Opposition allerdings schon seit Anfang November bekannt, betonte er. Der Isaf-Untersuchungsbericht für die Nato liege seit dem 3. November vor. "Sogar in deutscher Übersetzung", berichtete Guttenberg. Die Oppositionsfraktionen seien am 6. November unterrichtet worden. "Auch die Taliban, auch die Lastwagen waren ein Ziel. Darauf wurde die Opposition bereits hingewiesen."

Also nur ein Sturm im Wasserglas? Wohl kaum. Denn bisher hieß es öffentlich stets, dass die beiden Tanklaster zerstört werden sollten, um nicht als Bomben gegen das deutsche Lager bei Kundus eingesetzt werden zu können. Wenn es aber um gezielte Tötung von Taliban gegangen sei, "wer hat diesen Strategiewechsel angeordnet, wer wusste davon?", gab sich gestern der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel unkundig. Die Bundesregierung räumte zwar ein, dass bestimmte Grundlagen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr im Sommer konkretisiert worden seien. Doch habe stets der völkerrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Anwendung militärischer Gewalt gegolten, was zudem auch vom Bundestagsmandat abgedeckt werde. Es sei "abwegig", dass jenseits des Mandates die Strategie "fundamental geändert" worden sei, betonte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Stimmt das? Die Opposition glaubt nicht daran. Unklar ist zudem, ob Guttenberg tatsächlich wichtige Berichte vorenthalten worden sind. Der Minister habe alle wesentlichen Informationen zum Angriff von Kundus gekannt, als er den Luftschlag am 6. November öffentlich als "angemessen" eingestuft habe, meinte der entlassene Bundeswehrgeneral-Inspekteur Wolfgang Schneiderhan. "Ich habe das schriftlich von ihm, dass mir Dokumente vorenthalten wurden", hielt der Minister dagegen. Wort steht damit gegen Wort.

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