Verunsichert und demütig

Der neue CSU-Chef Horst Seehofer will seine geschwächte Partei mit frischem Kampfgeist und einer harten Gangart gegen die CDU wieder zur alten Stärke führen. Vier Wochen nach dem Desaster bei der Landtagswahl wählte ein Sonderparteitag den bisherigen Bundesagrarminister am Samstag in München mit 90,3 Prozent zum Nachfolger von Erwin Huber.

München. Das geistliche Wort zu Beginn ist eine Spezialität von CSU-Parteitagen. Am Samstag in München konnten es die Christsozialen besonders gut gebrauchen, denn viele der rund 1000 Delegierten waren nach der Wahlniederlage vom 28. September und den Rücktritten von Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber höchst aufgewühlt angereist. Der evangelische Kirchenrat Dieter Breit sagte in seiner Predigt, entscheidend bei der Bewältigung einer Krise sei, ob aus einer Demütigung auch Demut erwachse. Das mit der Demut klappte anschließend. Das mit den Sündenböcken nicht.

Den ersten Eklat gab es gleich zu Beginn. Als die scheidende CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer den Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber begrüßte, gab es mehr Pfiffe und Buhrufe als Beifall. Vor allem aus dem fränkischen Block. So etwas war noch nie vorgekommen. Der als Parteivorsitzender wie als Finanzminister zurückgetretene Erwin Huber hielt eine ehrliche Rede ("Ich habe mein Bestes gegeben") und wurde emotionslos verabschiedet. Dafür feierten die Delegierten Günther Beckstein so enthusiastisch, dass dem die Tränen in die Augen schossen. Einige erklärten am Rednerpult gar, sie wollten dass er im Amt bleibe. Als ob die Entscheidung für Horst Seehofer nicht längst gefallen war. Die Partei präsentierte sich noch immer tief verstört von den Ereignissen. "Wir von der Basis wurden nicht mehr gehört und nicht mehr ernst genommen", schimpfte ein Delegierter über die Oberen. Vor allem das bayerische Rauchergesetz wurde immer wieder kritisiert. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

"Müssen den Menschen wieder zuhören"



Horst Seehofer hatte alle Mühe, den Blick der Delegierten nach vorn zu richten. Auf der Tagesordnung stand der in großer Hektik mit der FDP ausgehandelte Koalitionsvertrag, also das Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre. Doch das Papier wurde geschäftsmäßig durchgewinkt. Seehofer versuchte die Delegierten darauf einzuschwören, dass die CSU wieder lernen müsse, den Menschen zuzuhören. Sie müsse auch innerparteilich offener diskutieren. "Mich hat die Debatte hier deshalb überhaupt nicht gestört", sagte er. Das gefiel vielen, ebenso wie sein harter Kurs gegenüber der Bundes-CDU. "Mein Arbeitsplatz wird München sein, aber meine Kampfkraft wird sich auch auf Berlin erstrecken", kündigte er an. Bei der Erbschaftssteuer will Seehofer konsequent bleiben: Selbstgenutzte Eigenheime müssten von der Steuer befreit bleiben, ebenso Betriebe, die weitergeführt werden. Er rate der CDU mit Blick auf die kommenden Wahlen die Stammwählerschaft "nicht durch überzogene Kompromissbereitschaft mit der SPD zu enttäuschen".

Dafür bekam er viel Beifall, aber bei der Wahl zum neuen CSU-Chef trotzdem nur 90,3 Prozent der Stimmen. In etlichen Bezirksverbänden gibt es weiterhin Vorbehalte gegen den neuen Vormann. Sie sind auch landsmannschaftlicher Natur. Das bekam CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer zu spüren, der als Oberbayer bei der Wahl zum stellvertretenden CSU-Chef nur 67 Prozent der Stimmen erhielt. Am heutigen Montag muss sich Seehofer im Landtag schon der nächsten Wahl stellen, wenn er zum Ministerpräsidenten bestellt wird. Vorsorglich vermied der 59-Jährige es, vorher Personalentscheidungen für sein Kabinett zu treffen. Zu groß ist die Gefahr, dass sich einzelne Abgeordnete zurückgesetzt fühlen und gegen ihn stimmen.

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