Verzweifeltes Ringen um Banken-Rettungsplan

Tauziehen um ein Rettungsprogramm für die US-Finanzbranche: Nach dem Scheitern eines Krisengesprächs bei US-Präsident Bush führten Republikaner und Demokraten im Kongress gestern weitere Gespräche.

Washington. Als alles vorbei war, fiel US-Finanzminister Henry Paulson auf die Knie und bat die anwesenden Demokraten: "Bitte sagt denen da draußen nicht, wie schlecht es gelaufen ist." Doch die Hiobsbotschaften ließen sich am Donnerstagabend nicht mehr unter der Decke halten. Kurz zuvor war der Krisengipfel im Weißen Haus, bei dem eigentlich der 700 Milliarden Dollar schwere Rettungsplan für in Bedrängnis geratene Banken feierlich verabschiedet werden sollte, nach einer turbulenten Sitzung mit ungewöhnlich hitzigen Wortgefechten, gegenseitigen Schuldzuweisungen und einem als Moderator sichtlich überforderten Präsidenten gescheitert.

Ausgerechnet die Republikaner-Fraktion im Repräsentantenhaus brachte mit ihrem überraschenden "Nein" einen möglichen Kompromiss zwischen den beiden Parteien zu Fall, der Stunden zuvor noch sicher schien. Eine dramatische Entwicklung, die vor allem zwei Männer düpiert: US-Präsident George W. Bush, dessen drastische Warnungen vom Vortag offenbar selbst in den eigenen Reihen nicht mehr fruchten und der sich nun einem schmerzhaften Affront gegenüber sieht. Und Präsidentschaftskandidat John McCain, der seinen Wahlkampf unterbrochen hatte und eingeflogen war, um in ein Retter-Gewand zu schlüpfen.

"Tage des Chaos" beschrieb gestern die "New York Times" den politischen Scherbenhaufen in Washington. Und zum Scheitern des Rettungsplans gesellte sich kurze Zeit später noch die Meldung über den Zusammenbruch des Konzerns "Washington Mutual", des größten US-Sparkassenverbundes. Die bisher vergebliche Suche nach einer tragfähigen Lösung für die Finanzprobleme der Wall Street, die auch gestern auf dem Kapitol anhielt, dürfte neben einer anhaltenden Verunsicherung für die Märkte auch einen erheblichen Dämpfer für die Präsidentschaftsambitionen John McCains bedeuten. Denn das, was mittlerweile über seine Rolle beim Krisengipfel berichtet wird, ist nicht gerade vorteilhaft. Er habe sich erst nach ausdrücklicher Aufforderung durch andere bei dem Treffen geäußert und "desinteressiert gewirkt", so Teilnehmer. Und dabei sei dann klar geworden, dass McCain - fünf Stühle von Barack Obama entfernt - nicht das Paket des Weißen Hauses unterstützt, sondern einen Alternativplan der Republikaner-Fraktion des Repräsentantenhauses, die sich dagegen wehrt, dass die Regierung künftig schlechte Darlehen von notleidenden Banken abkauft. Stattdessen fordern die konservativen Parlamentarier eine Lösung, bei der Banken für eine staatliche Absicherung gefährdeter Kredite eine Versicherungsprämie zahlen sollen.

Ob es zu einer solchen Lösung gestern kommen würde, war unklar - denn bei den weiter laufenden Beratungen war die "Rebellen-Fraktion" zunächst nicht vertreten. Lange ungewiss war auch die Frage, ob John McCain bei der ersten von insgesamt drei Präsidentschaftsdebatten präsent sein würde, die gestern abend (21 Uhr Ortszeit) an der Universität von Mississippi in Oxford stattfand: Quasi in letzter Minute sagte McCain seine Teilnahme zu. Barack Obama hatte hingegen von Anfang an deutlich gemacht, dass er sich auf jeden Fall, also auch unabhängig von McCains Teilnahme, den Fragen des Moderators stellen werde.

Gestern vormittag trat dann US-Präsident Bush erneut vor die Fernseh-Kameras und appellierte auch an die eigene Partei: "Wir brauchen einen Rettungsplan - und zwar schnell."

Meinung

Sprunghafter Charakter

John McCains Stipvisite in Washington hat nicht geholfen. Im Gegenteil: Seine Präsenz sorgte mit dafür, dass das sorgfältig ausgehandelte Rettungspaket entgleiste. Denn der Kandidat politisierte die Verhandlungen zwischen Weißem Haus und Kongress, die einer pragmatischen Lösung angesichts einer bedrohlichen Finanzkrise dienten. "Super-Mc's" Show auf dem Capitol Hill unterstreicht vielmehr seinen sprunghaften Charakter und gibt Anlass zur Sorge. Derselbe McCain, der vor zehn Tagen noch meinte, die Wirtschaft sei "fundamental stark", sieht nun plötzlich so gewaltige Gefahren, dass er seinen Wahlkampf aussetzen muss. Als hinge die Rettung der Wall Street an dem Senator, der seinen Arbeitsplatz zuletzt im April aufsuchte. Barack Obama hält ihm zu Recht entgegen, jemand, der Präsident werden wolle, müsse zwei Dinge zur gleichen Zeit handhaben können. So entsteht nun der Eindruck, McCain versuche, sich selber vor einer Debatte zu drücken, die unangenehm werden könnte. Und gleichzeitig einen Vorwand zu schaffen, auch noch das Duell zwischen Vizepräsidentschafts-Kandidatin Sarah Palin und ihrem demokratischen Gegenüber Joe Biden zu verschieben. Der 73-Jährige gefällt sich in der Pose des Drama-Königs, die ihn in diesem Fall Kopf und Kragen kosten kann. McCains konservativer Senats-Kollege Pete Domenici meinte einmal, er fühle sich nicht wohl bei dem Gedanken, McCains Hand am "Roten Knopf" zu sehen. Der hektische Aktionismus des Kandidaten über die vergangenen Tage nährt diese Sorge. nachrichten.red@volksfreund.de

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