"Wir müssen gemeinsam aus dem Tal"

MAINZ. Die Partei nach dem Wahldesaster am Boden, die Kassen – auch in der Landtagsfraktion – blank: Mit Mitgliedermotivation und Sparprogramm müsse die CDU heraus aus dem Tal – sagt der neue Vormann Christian Baldauf im Interview mit dem Trierischen Volksfreund.

Sie haben Fraktion und Partei nach einem Wahldesaster übernommen. Wie schwierig ist der Neubeginn?Baldauf: Der Neustart ist schon deshalb schwierig gewesen, weil die Mitglieder am Boden waren. Es war eine harte, frustrierende Realität, die wir erfahren mussten. Da muss man erst einmal die Frustration wegbekommen und Aufbauarbeit leisten - ähnlich wie Jürgen Klinsmann bei der Übernahme der Nationalmannschaft, die ja auch in einem Loch steckte. Da ist viel Psychologie und viel direkte Ansprache notwendig. Fühlen Sie sich als der neue Mann an der Spitze akzeptiert?Baldauf: Nach den Besuchen und Gesprächen im ganzen Land habe ich den Eindruck: Ja."Gerechtigkeit und Solidarität"

Es gibt ja durchaus kritische Fragen auch in der CDU nach der politischen Baldauf-Linie?Baldauf: Die Baldauf-Linie wird sich darin herauskristallisieren, dass ich ordnungspolitisch denke. Das Land muss schnellstmöglich aus der Schuldenmisere herauskommen. Daran muss sich alles orientieren. In der Partei geht es darum, den Draht zu den Mitgliedern zu finden. Ich muss vermitteln, dass ich die CDU nach vorne bringen kann. Das klappt nur in persönlicher Ansprache. Genau dies mache ich im Moment. Natürlich muss auch der Kontakt zu den Interessenverbänden, Kirchen und Vereinen aufgebaut werden. Zu all denen, für die man Politik macht. Aber über die Mitgliedermotivation hinaus: Wofür steht Christian Baldauf politisch?Baldauf: Ich bin ein Mensch, der vor allem Gerechtigkeit erreichen will und der den Grundgedanken der CDU, die Solidarität, in den Mittelpunkt stellt. Das heißt nicht Gleichmacherei, sondern denen zu helfen, die es nötig haben. Wo liegen konkret Akzente?Baldauf: Ein Punkt ist die Ausrichtung der Politik auf die Unterstützung der Familien. Wir hatten früher mal unter Heiner Geißler das Elterngeld. Bei der aktuellen Verschuldung des Landes sicher ein schwieriges Unterfangen. Aber wir sollten schauen, wo Gelder umgeleitet werden können. Entscheidend ist für mich, dass unsere Kinder optimal vorbereitet werden auf das Leben. Dem muss die Politik Rechnung tragen. Das gilt für Kindergarten, Schulen und Hochschulen. Sie sind gestartet mit einer Fraktion, die 300 000 Euro Schulden hat, und einer Partei mit rund 1,5 Millionen Schulden. Kommt man sich da nicht wie ein Insolvenzverwalter vor?Baldauf: Manchmal schon, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber ich habe die Aufgabe angenommen, um die CDU nicht nur aus dem Tal der Tränen in den Umfragen, sondern auch aus diesem Finanzloch herauszubringen. Daran arbeiten wir bereits kräftig. Wir konsolidieren in der Fraktion, in dem wir etwa keinen einzigen befristeten Arbeitsvertrag verlängert haben. Bei den Personalkosten müssen wir noch weiter zurückfahren. Mein Ziel ist es, die Parteifinanzen so zu konsolidieren, dass wir mit einem Plus in den nächsten Wahlkampf gehen können. Die Verschuldung beeinträchtigt natürlich schon die Parteiarbeit - auch die des Vorsitzenden. Aber wir müssen gemeinsam aus der Situation herauskommen. Und da bin ich optimistisch. Sie müssen die Finanzkrise meistern, weil Sie ja auch die Landes-CDU zu Deutschlands bester Opposition machen wollen, wie Sie angekündigt haben?Baldauf: Das ist ein Ziel, das ich erreichen möchte. Oppositionsarbeit ist nicht allein vom Geld abhängig. Aber ohne Personal geht es nicht, und Personal kostete Geld. Mit einen Stab von fünf wissenschaftlichen Mitarbeitern gegen eine Regierung mit einem Heer von Mitarbeitern bestehen zu wollen, ist beispielsweise in den laufenden Haushaltsberatungen sehr schwer. Um beste Opposition zu werden, muss auch die Finanzausstattung stimmen. Ziehen Fraktion und Partei an einem Strang?Baldauf: Ich bin überzeugt, dass alle 38 Fraktionsmitglieder in die gleiche Richtung ziehen. Auch die Partei zieht mit, selbst wenn man sehen muss, dass sie sich 18 Jahre lang stark mit sich selbst beschäftigt hat. Über die Haushaltsdebatte könnten Sie eigene Akzente setzen?Baldauf: Die Verschuldung des Landes ist für uns das größte Problem. Doch von einer Opposition ist eigentlich nicht zu erwarten, dass sie einen Haushalt mit vielen gegenseitig deckungsfähigen Titeln herunterbrechen kann, um dann genaue Kürzungsvorschläge zu machen. Wir behalten uns aber vor, eigene Schwerpunkte zu setzen. Diese Diskussion läuft aber noch. Der Ministerpräsident und SPD-Parteichef Kurt Beck ist auf allen Fernsehkanälen präsent, und die Umfragen sehen die Landes-SPD weiter im Hoch. Wie können Sie sich da politisches Gehör verschaffen?Baldauf: Das geht zunächst nur im Gespräch mit den Mitgliedern, die dann wiederum Multiplikatoren in der Bevölkerung sind. Beck ist bei 78 Prozent der Rheinland-Pfälzer beliebt. Wenn mich 78 Prozent kennen, werden die das auch über mich sagen. Aber erst einmal stehe ich am Anfang, während Beck sich über die letzten 15 Jahre etwas aufbauen konnte. Meine Aufgabe ist es, ihn hier in Rheinland-Pfalz zu stellen. Die Verschuldung des Landes werden wir anprangern. Mit ihm in den Medien zu konkurrieren, ist nach einem halben Jahr als Fraktionschef unmöglich - höchstens mit einem Knaller gegen die eigene CDU. Haben Sie denn in den ersten sechs Monaten als Fraktionschef und gut 100 Tagen als Parteivorsitzender bislang alles richtig gemacht?Baldauf: Ich frage mich das jeden Tag. Im Grundsatz ist der Weg richtig. Aus Fehlern muss man lernen. Vieles bringt einen weiter."Viele Menschen verstehen die Politik nicht mehr"

Sie haben bereits öfter die große Koalition in Frage gestellt. Was bezweckt Ihre Kritik an der Bundesregierung?Baldauf: Wenn Menschen die Politik nicht mehr verstehen, und es gibt ja deswegen Austritte aus der Partei, dann muss man das aufgreifen. In diesem Fall ist es eben die große Koalition, die es trifft. Um welche Kritikpunkte geht es konkret?Baldauf: Das reicht vom Antidiskriminierungsgesetz bis zur Gesundheitsreform. Wir tragen Kompromisse mit, die teilweise nicht mehr von den Menschen aus gedacht werden, sondern nur noch aus dem finanziellen Blickwinkel. Auch CDU-Ideen von Steuererleichterungen und Steuervereinfachungen finde ich momentan nicht mehr wieder. Da darf man schon einmal fordern, das auch anzugehen und nicht nur Steuern zu erhöhen. Das Gespräch mit CDU-Chef Christian Baldauf führte unser Redakteur Joachim Winkler.

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