Zahlung ohne Gegenleistung

TRIER. Als "skandalös" bezeichnet Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher die Geschäftspolitik der Stromwirtschaft. Statt die Nutzungsgebühr in den Ausbau und die Sicherung der Netze zu stecken, wirtschafteten die Unternehmen lieber in die eigene Tasche.

Wie lange darf der Ausfall eines Stromnetzes dauern?Peters: Dazu gibt es die so genannte n-1-Norm, die die Stromwirtschaft selbst anlegt. Danach ist das Stromnetz so ausgelegt, dass andere Netzteile den Ausfall eines Netzmittels ersetzen können. Dann übernehmen andere Teile die Funktion, so dass es nicht zu längeren und großflächigen Ausfällen kommt. Es ist also ein Unding, dass, wenn ein Betriebsmittel ausfällt, das ganze Netz zusammenbricht. Das kann und darf nicht sein. Das heißt, normalerweise gibt es mehrere Stromnetzmittel, die den Ausfalls eines Teils kompensieren? Peters: Genau. Das Stromnetz ist gut gemascht, man kommt von rechts und links dran. Nicht wie in den USA, wo alles linear ist und bei einem Schaden alles wie Dominosteine zusammenbricht. Das ist sehr berunruhigend, dass in so einem einfachen Fall wie jetzt in Trier das Netz einfach nicht funktioniert. Worauf deutet das denn hin? Peters: Dass auch die notwendigen Mechanismen zur Beseitigung der Störungen nicht funktioniert haben. Da war nicht nur ein Fehler, sondern es müssen auch die Mechanismen, die den Fehler begrenzen sollten, versagt haben. Anders ist ein so großflächiger und anhaltender Ausfall nicht zu erklären. Da stimmt in der Führung des Netzes etwas nicht. Bedeutet das, dass schon im Bau und bei der Prüfung des Netzes Fehler gemacht worden sind? Peters: Das Netz an sich muss nicht schlecht konzipiert worden sein. Es können auch Fehler in der Netzleitwerk-Technik da sein, die so einen Ausfall verursacht haben. Wird zu wenig in die Sicherung der Stromnetze investiert? Peters: Die Stromwirtschaft sagt, wenn ihr gute Netze haben wollt, müsst ihr gut zahlen. Doch gibt es schon eine gravierende Diskrepanz zwischen dem, was die Kunden für die Nutzung zahlen, 28 Milliarden Euro im Jahr, und dem, was die Stromwirtschaft in ihre Netze investiert, nur zwei Milliarden Euro. Das ist ja ein offenes Geheimnis, dass zu wenig für die Netzsicherheit und den Ausbau der Netze getan wird. Nur liegt die Ursache nicht darin, dass zu wenig gezahlt wird, sondern darin, dass die Energiewirtschaft einen Großteil des Kundengeldes dafür nicht verwendet. Das Geld wird einkassiert, ohne dass etwas dafür getan wird. Was können Verbraucher tun, wenn ihre Stromversorgung so stark beeinträchtigt worden ist, dass sie einen Schaden haben? Peters: Für den Schaden sind ja nicht die Verbraucher zuständig. Sie sind die Geschädigten. Das heißt, sie müssen den Schaden dokumentieren, mit Zeugen, Fotos oder Einkaufsbelegen, und dann haben sie auch den Anspruch auf Schadenersatz. Der Kunde zahlt ja für den Strom, und er zahlt dafür, dass er immer und vollständig da ist. Wenn er nicht da ist, muss ihm der Schaden ersetzt werden, das sagt das Bürgerliche Gesetzbuch. Das heißt, ich kann das auch rechtlich geltend machen? Peters: Da gibt es die AVB, die allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, und die Haftungsbeschränkung, die völlig unzeitgemäß ist. Nach heutigem Recht haftet der Stromversorger je betroffenem Verbraucher nur bis maximal 2500 Euro. Das entspricht nicht dem Haftungsgedanken, dass der eine Wirtschaftspartner besonders gut verdient und immer mal wieder kräftig zulangen kann und dann auch noch von der Haftung augeschlossen wird. Das kann ja nicht wahr sein. Das ist aber genau die Regelung, und das soll auch wieder in einem neuen Gesetz zu den AVB drinstehen. Das will die Stromwirtschaft so durchsetzen. Auch in dem bisherigen Entwurf zum Energiewirtschaftsgesetz, über das diese Woche abgestimmt wird, ist die Haftungsfreistellung wieder vorgesehen. Das ist skandalös. Die Fragen an Aribert Peters stellte Sabine Schwadorf.

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