Zöllners banger Blick nach Karlsruhe

MAINZ. Kippen heute die Bundesverfassungsrichter das bestehende Verbot von Studiengebühren, hat der Mainzer Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner als Vorkämpfer für ein gebührenfreies Erststudium ein großes Problem. Auch in Rheinland-Pfalz müsste dann wahrscheinlich kassiert werden.

Über "ungelegte Eier" wollte sich Jürgen Zöllner (SPD) in letzter Zeit nicht gern auslassen. Doch der Mainzer Wissenschaftsminister weiß, dass mit dem heute zu verkündenden Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter auch sein Studienkonto-Modell, das jedem Studierenden ein gebührenfreies Erststudium sichert, zur Debatte steht. Die CDU-Länder, die gegen das im Hochschulrahmengesetz der Bundes festgeschriebene Verbot von Gebühren klagen, lassen bisher keine Zweifel daran, dass Beiträge zwischen 500 und 600 Euro pro Semester (Halbjahr) kommen werden, sollte Karlsruhe ihnen Recht geben. Einen Vorgeschmack, was es heißt, wenn in Hessen Gebühren fällig werden und links des Rheins nicht, hat die Uni Mainz bereits erhalten: Die Einschreibungen an der Gutenberg Universität stiegen um deutlich über 1000, als in Frankfurt vor einem Jahr 650 Euro für Langzeitstudenten fällig wurden und eine "Wanderbewegung" einsetzte. Weil sich die Richter bereits kürzlich im Streit um die Juniorprofessoren für die Kulturhoheit der Länder entschieden haben, rechnen auch diesmal viele Experten mit einem Votum gegen den Bund und damit gegen das Verbot der Gebühren. "Dann haben wir ein Problem", heißt es im Ministerium vielsagend. Zöllner ist klar, dass die Hochschulen im Land einen wahren Ansturm zu verkraften hätten, wenn Rheinland-Pfalz bei seiner Linie bliebe, während in den Nachbarländern gezahlt werden müsste. Eine Verschlechterung der Studienbedingungen will er allerdings auch nicht zulassen. Doch Antworten auf Fragen nach einem Ausweg gibt es erst nach dem Urteil. Für den Koalitionspartner FDP ist die Richtung dagegen klar. Die Hochschulen sollten in eigener Verantwortung über Gebühren entscheiden dürfen. Soweit wagt sich derzeit CDU-Landeschef Christoph Böhr nicht vor. Da es in Deutschland noch kein Stipendiensystem nach amerikanischem Vorbild gibt, hält er allenfalls nachgelagerte Beiträge nach einem Einstieg ins Berufsleben für möglich. Doch die CDU-Länder wollen die Gebühren überwiegend während des Studiums kassieren."Soziales Gefälle nicht noch verstärken"

Auch der Mainzer Uni-Präsident Jörg Michaelis plädiert dafür, mit Studiengebühren die leeren Hochschulsäckel wieder aufzufüllen und gleichzeitig einer erneut drohenden "Flüchtlingswelle" aus den Nachbarländern zu begegnen. Sehr viel verhaltener fällt dagegen das Votum des Trierer Uni-Präsidenten Peter Schwenkmezger aus. Er bezieht "als wahrscheinlich einer der letzten Hochschulpräsidenten" noch gegen die Studiengebühr Stellung, auch wenn sie in Trier nach Abzug von sozialen Härtefällen vielleicht zehn Millionen Euro im Jahr in die Kasse spülen könnten. "Das reizt jeden Präsidenten. Dadurch wäre ein richtiger Schub möglich", so Schwenkmezger. Doch er vermisst die soziale Abfederung der Studiengebühren über Stipendien. Das bereits vorhandene soziale Gefälle im Bildungssystem dürfe nicht noch verstärkt werden, mahnt der PsychologieProfessor. Und dann sind da noch die massiven Befürchtungen, dass sich bei zusätzlichen Einnahmen für die Hochschulen das Land Stück für Stück aus seiner finanziellen Verantwortung verabschieden könnte. Schwenkmezger hat allerdings auch Zweifel, ob sich eine Universität erlauben könnte, als "Insel der Glückseligen" außen vor zu bleiben, während alle anderen Gebühren verlangen, und damit riskiert, von Studenten überrannt zu werden. Dann wäre eine rigorose Zulassungsbeschränkung notwendig und das nächste Problem in der Welt.

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