Zu niedrige Rente, zu hohe Rechnung

BERLIN/KIRCHBERG. Zu wenig Rente, zu viel auf der Telefonrechnung - wer sich ungerecht behandelt fühlt, kann sich an den Petitions-Ausschuss des Bundestages wenden. 2002 sind 13 832 Beschwerden in Berlin eingegangen.

 Aktenberge: Viele Bürger fühlen sich von Behörden falsch behandelt. Der Petitions-Ausschuss des Bundestages kann oft helfen.Foto: Harald Jansen

Aktenberge: Viele Bürger fühlen sich von Behörden falsch behandelt. Der Petitions-Ausschuss des Bundestages kann oft helfen.Foto: Harald Jansen

Petitionen, das sind Bittschriften von Bürgern, die sich vom Parlament Hilfe erhoffen. Sie schreiben, wenn sie sich von Vater Staat und seinen Behörden ungerecht behandelt fühlen. Ihre Briefe landen auf dem Tisch von Marita Sehn, der FDP-Bundestagsabgeordneten aus Kirchberg im Hunsrück. Seit November vergangenen Jahres hat sie den Vorsitz im Petitions-Ausschuss. Und seitdem hat sie einiges mehr zu tun. Denn pro Tag gehen durchschnittlich 55 Petitionen beim Bundestag ein, und Marita Sehn hat sich vorgenommen, sie alle zu lesen. Mancher Fall bewege sie schon sehr, sagt Sehn, "das geht schon mal richtig unter die Haut". Denn es sind längst nicht nur die großen Gesetzesvorhaben - derzeit zum Beispiel die Änderungen im Gesundheitswesen - die zu massenweise, oft organisierten Bittschriften führen. Sehr viel öfter sind es ganz persönliche Probleme, bei denen der Bundestag um Hilfe gebeten wird. Ein Grenzschutz-Beamter etwa will aus familiären Gründen zu einer anderen Dienststelle versetzt werden. Eine Studentin würde gern nach der Geburt ihres behinderten Säuglings weiter studieren, doch sie hat Schwierigkeiten mit dem Amt für Ausbildungsförderung. Je zwei "Beobachter" von den 25 Abgeordneten des Petitions-Ausschusses befassen sich dann mit einer Petition, und in vielen Fällen können sie tatsächlich etwas erreichen. "Wir nehmen die Dinge sehr ernst und gehen wirklich jedem Problem nach", sagt Marita Sehn. Dem BGS-Beamten wurde geholfen, und auch die Studentin bekommt wieder Unterstützung. "Oft gibt es bei vielen Fragen einen Ermessensspielraum", berichtet Marita Sehn, "wenn wir uns melden, wird er eher zugunsten des Petenten ausgeschöpft." Im Extremfall werden sogar Gesetze geändert. So berichtet Marita Sehn von über 100 Petitionen von Bürgern, die in irgendeiner Form auf die Tricks von Betrügern mit 0190-er-Nummern hereingefallen sind. Ihre Anregungen würden sich zum Teil wörtlich im laufenden Gesetzgebungsverfahren wiederfinden, verspricht Marita Sehn. Die Petitionen sind ein Spiegel aktueller Probleme: Derzeit häufen sich beispielsweise Schreiben von Apothekern, die Zukunftssorgen haben. Und ein großer Teil der Petitionen - rund ein Viertel - sind mit Problemen bei Renten-, Pflege- und Krankenversicherung verbunden. Besonders ältere Menschen kommen mit Formularen nicht zurecht, haben sich falsche Hoffnungen auf eine höhere Rente gemacht oder fühlen sich bei der Pflegeversicherung falsch eingestuft. Warum die Zahl neuer Petitionen 2002 um zwölf Prozent zurückgegangen ist, kann sich auch Marita Sehn nicht so recht erklären. Die Zahl der Eingaben liege umgerechnet nun wieder in etwa auf dem Niveau der Zeit vor der Wiedervereinigung. Viele damit verbundene Probleme seien wohl mittlerweile gelöst. "Insofern ist das wohl eine Normalisierung." Dass die Menschen 2002 schlicht zufriedener geworden sind, glaubt die Abgeordnete jedenfalls nicht.

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