Zwischen Revolution und Nokia-Handy

Iran - das ist für die meisten Europäer das Land der Islamischen Revolution und der tief verschleierten Frauen. Nur wenige kennen den 4000 Flugkilometer von Frankfurt entfernt gelegenen zweitgrößten Staat Vorderasiens aus eigener Anschauung. Andreas Burkard ist einer von ihnen. Der 22-jährige Student aus der Eifel lebt seit kurzem in Teheran. Im TV schreibt der angehende Islam-Wissenschaftler künftig in unregelmäßigen Abständen über das Leben im Iran.

Teheran. Die Stadt steht noch vollkommen still, als ich das Britische Institut verlasse. Es ist kurz vor sechs Uhr morgens. In der Dämmerung zeichnen sich die Umrisse der nahen Elburs-Berge scharf ab. Nur Reza, der wachhabende Polizist, ist auf der staubigen Shariati Avenue zu sehen. Reza und Andreas - zwei Teheraner am Morgen, zwei von sieben Millionen Einwohnern der iranischen Hauptstadt. Der Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan fällt in diesem Jahr auf den 1. September und damit auf den Zeitpunkt meiner Ankunft: Für den gläubigen Muslim sind von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang beispielsweise Essen, Trinken und Rauchen verboten. Für Kranke, Kinder und Alte gibt es Ausnahmen.

Tagsüber zeigt sich Teheran durch das Fasten geprägt: Alles läuft langsam, fast wie in Zeitlupe. Bei 30 Grad stehen den Bauarbeitern in der Shariati Avenue die Strapazen mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. Dennoch: Nur selten entdecke ich, wie sich jemand heimlich eine Zigarette ansteckt.

Freundliche und offene Menschen



Bewundernswert, wie die Frauen, abgetrennt von uns Männern im hinteren Teil des Busses, die Hitze unter ihren Chadors ertragen. Der Chador lässt nur das Gesicht der Trägerin unbedeckt, Haare und Gliedmaßen sind vollkommen verschleiert. Die jungen Frauen Teherans tragen allerdings oft nur ein einfaches Kopftuch - teils schwarz, teils anmutig farbenfroh.

Der Süden der Metropole gilt als ärmer und konservativer. Nah an der Dascht-e-Kavir-Wüste gelegen, die sich weit ins Landesinnere erstreckt, kann kein kühlender Wind das Teheraner Gemisch aus Smog und Staub vertreiben, das mir jetzt entgegenschlägt. An der Fassade eines Hochhauses ist Ayatollah Khomeini überdimensional groß dargestellt, das Treiben auf dem Busbahnhof überblickt er ungerührt. Das Foto des 1989 gestorbenen Revolutionsführers sieht man oft in der Stadt - manchmal surreal gebrochen durch Nachbarplakate, die nicht von der Islamischen Revolution, sondern vom neuesten Nokia-Handy künden.

Der Muezzin hat bereits zum Abendgebet gerufen und damit das Fastenbrechen eingeläutet: Gemeinsam essen die Menschen - traditionell Suppe und iranisches Brot - lachen, rauchen, entspannen. Die Freundlichkeit und Offenheit, mit der man mir - wie übrigens auch meinen britischen Freunden - begegnet, tritt noch deutlicher zutage. Die Elburs-Berge sind nur noch schemenhaft zu erkennen. Es ist kurz vor neun Uhr abends in Teheran, und die Stadt ist voller Leben.

zur person

Andreas Burkard ist im Eifel-Ort Greimerath aufgewachsen. 2006 machte der heute 22-Jährige Abitur am Peter-Wust-Gymnasium in Wittlich. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr studiert er seit 2007 Islamwissenschaften an der Universität von Oxford. Seit einigen Wochen ist er für ein Jahr in Teheran.

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