Abraham Lincolns 150. Todestag - Der beste Präsident den Amerika jemals hatte

Washington · Der ehemalige US-Präsident Abraham Lincoln hat am Mittwoch, 15. April, seinen 150. Todestag. Er ist in einem Theater von John Wilkes Booth, einem Anhänger der Südstaatenkonföderation, erschossen worden. Die Historiker sind sich einig: ohne Lincoln wäre die USA nicht die Großmacht, die sie heute ist.

 Begehrtes Fotoobjekt: Die Statue von Abraham Lincoln im gleichnamigen Memorial. Foto: Michael Zehender

Begehrtes Fotoobjekt: Die Statue von Abraham Lincoln im gleichnamigen Memorial. Foto: Michael Zehender

John Wilkes Booth war angemeldet. Der tadellos gekleidete Schauspieler hatte einem Diener seine Visitenkarte gezeigt und sich auf diese Weise Zugang zur Ehrenloge verschafft. Dort zog er seine Derringer-Pistole, jagte Abraham Lincoln aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf, wehrte einen herbeistürzenden Major namens Henry Rathbone mit einem Messerstich ab und sprang hinunter auf die Bühne.

"Sic Semper Tyrannis", so möge es Tyrannen immer ergehen, rief Booth, ein glühender Anhänger der Südstaatenkonföderation, hob seinen Dolch und verschwand. Die Zuschauer dachten im ersten Moment, der dramatische Auftritt gehöre zum Stück. Das änderte sich erst, als sie hörten, wie Lincolns Frau Mary verzweifelt rief: "Sie haben den Präsidenten erschossen!" Charles Leale, sechs Wochen zuvor mit dem College fertiggeworden, war der erste Arzt, der zu helfen versuchte. Als er das Einschlussloch hinterm linken Ohr entdeckte, habe er schnell begriffen, dass es sich um eine tödliche Wunde handelte, gab er später zu Protokoll.

Längst ist Ford's Theatre, sechs Häuserblöcke östlich vom Weißen Haus, ein Museum. Gegenüber das Petersen House, eine Pension, in der Lincoln neun Stunden nach dem Attentat stirbt. Er liegt diagonal auf dem Bett, dessen Rahmen zu kurz ist für einen langen Menschen wie ihn. Am 15. April 1865, um 7.22 Uhr, wird er für tot erklärt. Unmittelbar danach setzt die Lincoln-Verehrung ein, und bis heute hat sie nicht nachgelassen. In der Bewertung der American Political Science Association, eines Fachverbands von Politikwissenschaftlern, ist Old Abe der beste Präsident, den die USA jemals hatten, gefolgt von George Washington und Franklin Delano Roosevelt.

Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen in Kentucky, ein Autodidakt, der sich selber das Lesen und Schreiben beibringt und Rechtsanwalt wird, formuliert Lincoln sein politisches Credo mit Worten aus der Bibel. "Ein Haus, so es mit sich selbst uneins wird, kann nicht bestehen", deklamiert er 1858 auf einem Konvent in Illinois, wo ihn die Republikaner als Kandidaten für die anstehende Senatswahl aufstellen. "Ich glaube, dass dieses Regierungssystem keinen dauerhaften Bestand haben wird, wenn es halb versklavt und halb frei ist." Nachdem er 1860 das Präsidentschaftsvotum gewinnt, trennen sich die Sklavenhalterstaaten von der Union. Am 12. April 1861 beginnt mit den Schüssen auf Fort Sumter, eine Festung in der Hafeneinfahrt von Charleston, der Bürgerkrieg. Am 19. November 1863 hält Lincoln auf dem Schlachtfeld von Gettysburg seine berühmteste Rede, die zugleich eine seiner kürzesten ist. Die Anwesenden sollten feierlich beschließen, sagt er, dass die Toten nicht umsonst gestorben seien, "dass die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk niemals vom Erdboden verschwinden darf". Als sich ein Ende des Blutvergießens abzeichnet, will er dauerhaft in der Verfassung verankern, was er zuvor mit den Ausnahmevollmachten des Feldherrn durchgesetzt hatte: die Befreiung der Sklaven. Um den 13. Zusatzartikel durch den Kongress zu bringen, braucht er die Stimmen schwankender Demokraten, und die holt er sich auch, indem er lockt, Posten verspricht, Bestechungsgelder zahlen lässt.

Gegenüber der Südstaatenarmee zeigt er Milde. Es ist ein Motiv, das Barack Obama aufgreift, in den Jubelwochen nach seinem Wahlsieg, in denen das Land in ihm einen Versöhner sieht, der Brücken bauen würde über tiefe Parteienschluchten. "Lincoln hätte der Sinn nach Rache stehen können, er hätte den Süden einen hohen Preis für die Rebellion zahlen lassen können", fasste Obama das Kapitel zusammen. Stattdessen habe er angeordnet, die unterlegenen Soldaten ungestraft zu ihren Familien, auf ihre Farmen zurückkehren zu lassen.

Vielleicht ist es ungerecht, aber wer im Oval Office residiert, muss sich bis heute an Old Abe messen lassen. In einer Mischung aus Bedauern und Verständnis konstatieren die Leitartikler, dass Politiker heutzutage natürlich nicht mehr von seinem Kaliber sind. Nur, jeder Kandidat, der Zuspruch verdiene, "sollte zumindest ansatzweise besitzen, was Lincoln im Überfluss besaß: eine fundamentale Vision und eine kluge Strategie für die Realitäten des Augenblicks", schreibt David Brooks, eine Kolumnistenkoryphäe der New York Times. Ohne Lincoln, sind sich die Historiker einig, wären die USA nicht die Großmacht, die sie heute sind, womöglich wären sie nicht einmal die Vereinigten Staaten.

Nicht nur, dass er mit dem Pacific Railway Act den Weg zum Bau einer transkontinentalen Eisenbahn ebnete, womit ein großer Wirtschaftsraum zwischen Atlantik und Pazifik entstehen konnte. Nicht nur, dass er die Union rettete. Mit der Abschaffung der Sklaverei, der Korrektur ihres Geburtsfehlers, gab er ihr zugleich eine gesellschaftlich homogenere, stabilere Grundlage. "Einen Lincoln bekommen wir heute nicht mehr", orakelt Brooks. Schon deswegen nicht: "Ein Mensch mit seinem Gesicht könnte das Fernsehzeitalter nicht überstehen".

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