Jean-Claude Juncker baut Brüssel um

Brüssel · Der künftige Präsident der EU-Kommission hat die neue Aufgabenverteilung vorgestellt. Sieben Vizepräsidenten ohne eigenes Ressort sollen sich um die Koordination der Gesetzesarbeit, Bürokratie und effizienteres Arbeiten kümmern.


Brüssel. Die Schwierigkeiten verhehlt Jean-Claude Juncker nicht. "Es war nicht einfach, die EU-Kommission zu formen", sagte der Luxemburger Ex-Premier, als er am Mittwoch verkündete, welcher EU-Kommissar künftig welche Themen bearbeitet. Die Mitgliedstaaten stellen ihm das Personal und schicken den Wunsch nach einflussreichen Posten gleich mit.
Trotzdem hat Juncker eigene Akzente gesetzt und aus seiner Sicht "ein Siegerteam" geschaffen: "Diese Kommission hat die nötige Erfahrung, um die wirtschaftlichen und außenpolitischen Herausforderungen zu meistern, mit denen sich Europa konfrontiert sieht."
Zähe Nachverhandlungen


Bemerkenswert ist neben der bisher hochkarätigsten Besetzung einer EU-Kommission mit neun ehemaligen Regierungschefs oder deren Stellvertretern und 19 früheren Ministern vor allem die Rolle der Kommissarinnen. Bestand anfangs die Gefahr, dass noch weniger weibliche Politikerinnen als bisher in Brüssel agieren würden, so erreichte Juncker in zähen Nachverhandlungen, dass weiter neun von 28 Kommissionsmitgliedern Frauen sind. Im Gegenzug belohnte er sie mit hochrangigen Posten. Dänemarks Finanzministerin Margrethe Vestager etwa übernimmt das mächtigste Brüsseler Ressort und wird Wettbewerbskommissarin. Viel weniger wohlwollend wurden andere Personalien Junckers aufgenommen, die bei den nun folgenden Anhörungen im Europaparlament eine Rolle spielen werden. Als Wackelkandidaten gelten der Ungar TiborNavracsics und die Slowenin Alenka Bratu{scaron}ek.
In der CDU/CSU kommt vor allem schlecht an, dass der Sozialist Pierre Moscovici EU-Währungskommissar werden soll. "Mit welcher Autorität soll Moscovici, der als französischer Finanzminister mutwillig gegen die Regeln des Stabilitätspakts verstoßen hat, auf die Einhaltung der Vorgaben pochen?", fragt der Europaabgeordnete Werner Langen: "Mit dieser Personalie würde der Bock zum Gärtner gemacht." Für Europas Grüne sind andere Entscheidungen problematisch - etwa jene, den Briten Jonathan Hill, einst Mitbegründer einer Beratungsfirma in der Londoner City, zum Finanzmarktkommissar machen zu wollen.
"Damit wäre ein Banken-Lobbyist für die Finanzmarktregulierung zuständig", ärgert sich Sven Giegold.
Kritik an "Fehlbesetzungen"


Kein gutes Haar wird auch an Günther Oettinger gelassen, der in seiner zweiten Amtszeit traditionsgemäß in ein anderes Ressort wechseln muss und nun die Verantwortung für die "digitale Wirtschaft und Gesellschaft" übertragen bekommt.

Oettinger sei wegen seiner fehlenden Erfahrung in diesem Bereich "die größte Fehlbesetzung des vorgeschlagenen Juncker-Kabinetts", kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Jan Albrecht (siehe auch Bericht unten). Kommissionschef Juncker schafft insgesamt sieben Vize-posten, die in wechselnden Teams die Arbeit der 20 Fachkommissare koordinieren sollen. Ziel ist, die Verabschiedung sich widersprechender Gesetze zu verhindern und überflüssige Vorhaben der Beamtenebene frühzeitig zu stoppen. Eine besondere Rolle fällt dabei dem bisherigen niederländischen Außenminister Frans Timmermans zu, der nicht nur Junckers erster Stellvertreter und zuständig für Bürokratieabbau wird, sondern wie er auch ein Veto gegen Gesetzesinitiativen einlegen kann. Juncker: "Er wird meine rechte Hand sein."
Obwohl Juncker das Risiko eines ständigen Kompetenzgerangels zurückwies, halten sich entsprechende Befürchtungen hartnäckig. So kritisierte der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann, der die Personalie Moscovici ausdrücklich unterstützt, dass dieser nun mit dem für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zuständigen Finnen Jyrki Katainen und dem für den Euro verantwortlichen Letten Valdis Dombrovskis "gleich zwei austeritätsgläubige Bosse" bekomme. Auf der anderen Seite gehen die Mitwirkungsrechte im Fall Moscovici anderen nicht weit genug.

Juncker ficht das nicht an, er verspricht "eine Politik aus einem Guss", weil dies Europas "letzte Chance" dafür sei.

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