Politologe: Malu Dreyer noch nicht aus dem Schneider

Mainz · Die CDU-Opposition setzt die rheinland-pfälzische Regierungschefin Dreyer wegen des Finanzdebakels am Nürburgring unter Druck. Der Politologe Kai Arzheimer meint, Dreyer sei noch nicht aus dem Schneider, auch wenn sie deutlich macht: Ich mache es anders als Vorgänger Beck.

Mainz. Auch wenn Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sich wegen des Nürburgring-Finanzskandals von Vorgänger Kurt Beck distanziert, bedeutet dies aus Expertensicht keinen Befreiungsschlag. "Die Opposition weist ja mit einer gewissen Berechtigung darauf hin, dass Frau Dreyer bei wichtigen Entscheidungen mit am Kabinettstisch saß", sagt der Mainzer Politologe Kai Arzheimer im Interview mit Blick auf den millionenschweren Ring-Ausbau, dessen Geld faktisch als verloren gilt. Außerdem ist bisher offen, ob die Käufer des insolventen Nürburgrings eine weitere fällige Rate begleichen können. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat in ihrer Regierungserklärung am vergangenen Dienstag die Flucht nach vorn angetreten und sich angesichts des früheren Finanzdebakels auch von ihrem Vorgänger Kurt Beck distanziert. Ist ihre Stellung mit Blick auf die Landtagswahl 2016 damit gestärkt oder nicht?Arzheimer: Angesichts der Lage bleibt der Ministerpräsidentin ja nur die Flucht nach vorn. Gestärkt ist sie durch diese Erklärung aber auf keinen Fall, denn die Opposition weist ja mit einer gewissen Berechtigung darauf hin, dass Frau Dreyer bei wichtigen Entscheidungen mit am Kabinettstisch saß. CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner hat wegen der Fehler bei der Finanzierung des Ring-Ausbaus den Rücktritt von Verkehrsminister Roger Lewentz, Finanzminister Carsten Kühl (beide SPD) und einen Rückzug von SPD-Fraktionschef und Ex-Verkehrsminister Hendrik Hering gefordert. Wäre eine Kabinettsumbildung notwendig oder hilfreich?Arzheimer: Das zu fordern gehört zur Rolle der Opposition, aber ein Rückzug der Minister und des Fraktionschefs würde jetzt wie ein Eingeständnis der Schwäche wirken und außerdem die SPD-interne Machtbalance, die nach Becks Rückzug gefunden wurde, durcheinanderbringen. Werden die Wähler die Landtagswahl 2016 auch zu einer Abstimmung über das Millionengrab Nürburgring machen? Baustellen sind ja auch der verschuldete Flughafen Hahn und der insolvente Airport Zweibrücken. Wird das der CDU oder anderen Parteien nutzen?Arzheimer: Das ist aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen. Die CDU wird natürlich versuchen, den Nürburgring und die Flughafen-Frage auf der politischen Agenda zu halten. Ob diese Strategie verfängt oder die Wähler bis dahin von der endlosen Debatte ermüdet sind, wird auch von der Entwicklung auf diesen Großbaustellen abhängen.Extra

Kai Arzheimer (45, Foto: dpa) ist Professor für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er lehrt als Nachfolger von Jürgen Falter. Arzheimer studierte Politikwissenschaft/Soziologie und Deutsch. Zu Schwerpunkten seiner Arbeit zählen die Wahl extremer Rechter in Westeuropa und Politikverdrossenheit.

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