Wenn die Steuer das Gehalts-Plus auffrisst

Trier/Mainz · Sie sei ungerecht und belaste vor allem kleine und mittlere Einkommen: die kalte Progression. Der Steuerzahlerbund will sie daher abschaffen. Beim rheinland-pfälzischen Finanzminister stößt der Verband auf offene Ohren. Auch bei der CDU. Nur die Grünen sind gegen den Vorschlag.

Trier/Mainz. Viele Beschäftigte kennen das: Da gibt es eine kleine Gehaltserhöhung, doch am Ende des Monats kommt unterm Strich weniger heraus als vorher. Schuld ist die sogenannte kalte Progression. Steigt das Gehalt, steigt in vielen Fällen auch der Steuersatz. Aufgrund des sogenannten progressiven Steuertarifs steigt die Steuerbelastung prozentual schneller als das Gehalt. Bei einer dreiprozentigen Gehaltserhöhung kann es passieren, dass man vier oder sogar fünf Prozent mehr Steuern zahlen muss. Dann bleibt netto am Ende weniger.
"Die kalte Progression ist eine systematische Steuer-Ungerechtigkeit, die endlich abgeschafft gehört", sagt daher René Quante, Chef des rheinland-pfälzischen Steuerzahlerbundes. Der Verband hat einen Vorschlag gemacht, wie die kalte Progression abgeschafft werden kann und wie ein neuer Einkommensteuertarif vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlastet. Quante hat der rheinland-pfälzischen Landesregierung und den Landtagsfraktionen den Vorschlag zukommen lassen. Damit soll erreicht werden, dass sich Rheinland-Pfalz im Bundesrat für eine Gesetzesänderung einsetzt, die den Abbau der kalten Progression möglich macht. Rot-Grün setze sich für den Mindestlohn und für soziale Gerechtigkeit ein, sagt Quante und fragt: "Welchen Sinn machen Mindestlöhne, wenn der Staat überproportional Steuern kassiert?" Der Steuerzahlerbund schlägt einen neuen Einkommensteuertarif ab 2015 vor (siehe Tabelle). Dieser soll sich automatisch an die Entwicklung der Verbraucherpreise anpassen.
Die CDU begrüßt den Vorschlag des Steuerzahlerbundes. "Was die Mitarbeiter unserer Betriebe netto mehr im Portemonnaie haben, werden sie nicht im Kopfkissen verstecken. Sie werden es ausgeben. Daraus entstehen mehr Nachfrage, mehr Umsatz und mehr Steuereinnahmen", sagt Gereon Haumann, Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU. Daher müssten alle "demokratischen Kräfte" im Land geschlossen für die Abschaffung der kalten Progression eintreten.
Doch die Grünen halten davon nichts. "Eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ist für uns Grüne sinnvoll, der vorgelegte Vorschlag des Bundes der Steuerzahler entlastet allerdings die höheren Einkommen und liefert keine Vorschläge zur Gegen finanzierung. Daher können wir dem nicht zustimmen", sagt Ulrich Steinbach, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) spricht sich auch dafür aus, etwas gegen die kalte Progression zu unternehmen. Der progressive Steuertarif dürfe nicht dazu führen, dass es zu Lohneinbußen komme. Um die Einnahmeausfälle durch die Abschaffung der kalten Progression gegenzufinanzieren, plädiert Kühl dafür, die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge von 25 Prozent abzuschaffen und Kapitalerträge den Einkommen auf Arbeit wieder gleichzustellen. "Die Abgeltungsteuer bedeutet eine Privilegierung von Beziehern hoher Kapitaleinkommen und widerspricht dem grundlegenden Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit", sagt Kühl.Extra

In Deutschland gibt es einen sogenannten progressiven Steuertarif. Die Steuerbelastung steigt mit zunehmendem zu versteuernden Einkommen. Beispiel: Ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 50 000 Euro muss 13 482,90 Euro Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zahlen. Der durchschnittliche Steuersatz liegt bei 26,97 Prozent. Steigt das Einkommen nach einer Lohnerhöhung um zwei Prozent auf 51 000 Euro, dann steigen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag auf 13 914 Euro. Der durchschnittliche Steuersatz liegt nun bei 27,28 Prozent. Trotz Lohnerhöhung hat er weniger in der Tasche.

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