Wenn es zwischen Polizei und Bürgern knirscht

Mainz · Die Idee stammte von den Grünen und löste mächtig Wirbel aus: Rheinland-Pfalz sollte einen Polizeibeauftragten bekommen, um Übergriffe der Ordnungshüter besser ahnden und Missstände leichter abstellen zu können. Die Polizeigewerkschaften sprachen von einem Misstrauensvotum gegenüber den Beamten. Inzwischen ist der Beauftragte für die Landespolizei installiert.

Mainz. Der rheinland-pfälzische Bürgerbeauftragte Dieter Burgard (SPD) übernimmt diese Rolle in Personalunion. Seiner Einschätzung nach hat sich die aufgeregte Debatte längst beruhigt und die Polizei hat erkannt, dass auch sie einen Vorteil von dem neuen Ansprechpartner hat:Sie sind seit Mitte Juli neuer Landespolizeibeauftragter. Was erwarten Sie von diesem Amt? Als Bürgerbeauftragter konnte ich in den vier Jahren meiner Amtszeit vielen Menschen helfen. Und zwar etwa zwei Drittel der Menschen, die sich an uns gewandt haben. Wenn uns das beim Polizeibeauftragten auch gelingt, stärkt dies das Vertrauen in den Staat und in die Polizei. Es ist eine zusätzliche Aufgabe, aber sie macht Sinn. Viele Polizisten sehen in diesem Amt ein Misstrauensvotum gegenüber ihrer Arbeit. Wie gehen Sie damit um?Wir haben die Kritik wahr- und aufgenommen. Aus dem Gesetz zum Landespolizeibeauftragten lässt sich kein Misstrauensvotum gegenüber der Polizei ablesen. Diese Intention wurde auch nie verfolgt. Es geht darum, eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern zu etablieren. Davon hat auch die Polizei etwas - und das sieht inzwischen beispielsweise auch die Gewerkschaft der Polizei so. Der Polizeibeauftragte ist im übrigen auch ein Anwalt der Polizei. Polizisten können sich mit ihren Anliegen an ihn wenden. Sie müssen hier nicht den Dienstweg einhalten, sondern können ihre Beschwerde einer unabhängigen Instanz vortragen. Es gibt also ein Umdenken bei der Polizei?So empfinde ich das. Wir wollen und werden mit allen Gewerkschaften reden. Sie gehen auch aktiv auf uns zu. Als rheinland-pfälzischer Polizeibeauftragter nehmen Sie die Arbeit gerade erst auf. Hatten Sie in Ihrer Funktion als als Bürgerbeauftragter bereits Fälle zu bearbeiten, die aus der Polizei kamen?Auf jeden Fall. Anliegen und Beschwerden wurden als Petition bearbeitet.Können Sie Beispiele nennen für Beschwerden von Bürgern über Polizisten?Bei einem Beispiel musste eine psychisch kranke Frau in die Psychiatrie gebracht werden. Dabei wurde sie gefesselt und Gewalt angewendet. Der Ehemann wandte sich an uns, weil die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hatte. Er wollte, dass die Polizei im Umgang mit hilflosen Personen besser geschult wird. Dann hatten wir schon öfter den Fall, dass nach Hausdurchsuchungen Beschwerden kamen, die Haustür sei beschädigt worden oder die Polizei habe ein Chaos in der Wohnung hinterlassen. Oder Bürger beklagten, dass der Schaden nicht reguliert wurde, Kinder die Durchsuchung miterleben mussten und so eine traumatisierende Situation für sie entstanden ist. Fällt Ihnen auch ein Beispiel ein, bei dem Polizisten sich beschwert haben, weil ihnen Unrecht getan wurde?Die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten nimmt zu. Da passiert es, dass Beamte verletzt werden. Wir nehmen das sehr ernst. Manchmal geht auch nur eine Brille kaputt. Die Regulierung eines solchen Schadens dauert den Betroffenen zuweilen zu lange. Ein wiederkehrendes Problem sind auch Arbeitsplätze, die weit entfernt vom Heimatort liegen. Häufig wird den Polizisten versprochen, dass sie bald wieder in Heimatnähe arbeiten können. Wenn das zu lange dauert, bitten uns Beamte schon mal um Hilfe. Ein anderer Fall waren fehlende schusssichere Westen. Da wurden wir eingeschaltet, um Druck auszuüben. Im Büro des Bürgerbeauftragten wurde sich bisher bereits um die Polizei gekümmert. Was verbessert sich durch die Installation eines Landespolizeibeauftragten?Das Verfahren ist anders. Bisher wurden Petitionen über die entsprechenden Polizeidienststellen bearbeitet. Abschließend kamen die Anliegen und Beschwerden dann in den Petitionsausschuss. Jetzt wird es so sein, dass wir unsere Recherchen direkt über das Ministerium ausführen. Unser Ergebnis wird anschließend dem Innenausschuss des Landtags vorgestellt. Ein Beamter, der beispielsweise gemobbt wird, muss seine Dienststelle jetzt nicht mehr informieren. Er kann sich direkt an uns wenden. Das senkt die Hemmschwelle.Sie haben als Landespolizeibeauftragter keine zusätzlichen Mitarbeiter. Bleibt das so? Und was kostet der Polizeibeauftragte?Wir haben im vergangenen Jahr, als die Diskussion um den Polizeibeauftragten aufkam, hier im Büro des Bürgerbeauftragten eine frei gewordenen Referentenstelle zu besetzen gehabt. Da haben wir jemand genommen, der auf der Polizeihochschule für mehrere Jahre einen Lehrauftrag hatte. Die Anzahl der Referenten wurde allerdings nicht erhöht. Wir haben allerdings die Option, einen weiteren Referenten anzustellen. Bei einer Halbtagsstelle würden da vielleicht Kosten von 20 000 bis 25 000 Euro im Monat entstehen. Also kostet der Landespolizeibeauftragte den Bürger derzeit keinen Cent?Wir haben allenfalls geringfügig höhere Sachkosten, da wir mit Flyern für diese neue Anlaufstelle werben, Briefköpfe ändern müssen und auch eine Homepage einrichten. Diese Kosten können wir im laufenden Haushalt abdecken. Sie sind seit geraumer Zeit Bürgerbeauftragter. Stellen Sie eine Veränderung der Beschwerdekultur fest? Sind die Bürger aggressiver geworden? Ich bin jetzt vier Jahre im Amt und habe festgestellt, dass die Bürger selbstbewusster geworden sind. Die Bereitschaft, eine Petition, also eine Eingabe oder Beschwerde, zu machen, ist gewachsen. Wenn eine Gemeinde etwas beschlossen hat, wird hinterfragt: Ist das notwendig? Ist das zu teuer? Und es gibt auch Gemeinden, die einen Bürgerhaushalt haben, die Bürgerbeteiligung also noch einmal intensivieren. Natürlich passieren immer noch gravierende Dinge. Wenn beispielsweise Bürger über eine Baumaßnahme informiert werden und am nächsten Tag rollt der Bagger schon an. Da fühlen sie sich verschaukelt. Heute wird mehr Transparenz verlangt. Dazu gehören auch regelmäßige Sprechstunden von Bürgermeistern oder Landräten. Kommen die Bürger da nicht weiter, wenden sie sich an den Bürgerbeauftragten.Hat Stuttgart 21, also der Protest gegen den neuen Hauptbahnhof, etwas verändert?Ich denke schon. In Stuttgart, also im Land Baden-Württemberg, will man übrigens jetzt einen Bürgerbeauftragten einführen. Die haben noch keinen. Auch in Sachsen ist das ein Thema. Die Steuerzahler fühlen sich als Kunden und wollen anständig behandelt werden. Extra

Dieter Burgard (Foto: privat) ist 1954 in Saarbrücken geboren. Von 1979 bis 2001 arbeitete er als Erzieher in Maria Grünewald in Wittlich, davon die letzten acht Jahre als Leiter der Tagesförderstätte. Von 2001 bis 2010 war er Mitglied des Landtages. Vor vier Jahren wurde er bis 2018 zum Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz gewählt. Für die SPD saß er im Stadtrat Wittlich und im Kreistag Bernkastel-Wittlich. red

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