Zum Kita-Streit herrscht Schweigen im Regierungsviertel

Berlin · Nach der Ablehnung des tariflichen Schlichterspruchs durch die gewerkschaftlich organisierten Kita-Beschäftigten stehen die Zeichen erneut auf Streik (siehe TV vom 10. August). Führende Bundespolitiker blieben dazu gestern auffällig still, nachdem sie in der Vergangenheit noch eine spürbare "Aufwertung" der Erziehungstätigkeit im Land gefordert hatten.

Berlin. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) lehnte eine Stellungnahme auf Nachfrage ab. Nur kein Öl ins Feuer gießen, lautete offenbar die Devise. Als die Kita-Beschäftigten Anfang Mai in einen vierwöchigen Streik traten, waren sie von der Sozialdemokratin noch offen dazu ermuntert worden.
"Wir vertrauen ihnen unsere Kinder an, sie betreuen und bilden unsere Kinder von klein auf und tragen eine große Verantwortung", sagte Schwesig damals. "Deshalb müssen sie für ihre Leistung auch entsprechend bezahlt werden." Schwesigs Parteichef Sigmar Gabriel wurde kurz drauf noch deutlicher und sah den Bund in der Pflicht: Er müsse die Aufgaben, die er den Kommunen aufdrücke, mittragen. Doch gestern war auch vom Obergenossen nichts zu hören.
Dafür sprachen die kommunalen Spitzenvertreter Klartext. Der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, lehnte weitere Zugeständnisse an die Gewerkschaftsseite rundweg ab: "Ich sehe keine Luft nach oben." Und Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, warnte, mehr als die in der Schlichtung ausgehandelten Lohnzuwächse um durchschnittlich drei Prozent könnten sich die Kommunen nicht leisten.
Für Verdi-Chef Frank Bsirske ist das eine höchst unkomfortable Situation. Nicht zuletzt von der Politik ermuntert, hatte der Arbeitnehmerboss enorme Erwartungen bei der Basis geweckt. Ihre Vorstellungen von einer "Aufwertung" des Erzieherberufs waren in die Verdi-Forderung nach höheren Eingruppierungen gegossen worden, die im Schnitt Gehaltssprünge von zehn Prozent, in der Spitze sogar um 17 Prozent bedeutet hätten. Die Leiterin einer Kita mit bis zu 39 Plätzen wäre nach achtjähriger Tätigkeit auf ein Monatsbrutto von 3502 Euro gekommen. Jetzt verdient sie 2985 Euro.
Gemessen daran war der nun abgelehnte Schlichterspruch tatsächlich äußerst dürftig. Die meisten Erzieher hätten nur ein mageres Plus von 30 Euro bekommen. Ob daraus in weiteren Verhandlungen spürbar mehr werden kann, ist allerdings zweifelhaft. Schließlich lastet auch die Flüchtlingswelle immer stärker auf den kommunalen Etats. Zwar weiß auch Bsirske um dieses Problem. Um den Draht zur Basis nicht zu verlieren, bekräftigte er aber gestern die Bereitschaft zu neuen Arbeitsniederlegungen. Der Schlichterspruch reiche nicht aus, sagte Bsirske in Düsseldorf. Dabei hatte er ihn zunächst vehement befürwortet. Dem Vernehmen nach will die Tarifkommission von Verdi bei ihrer Sitzung am heutigen Dienstag beschließen, dass neue Streiks unausweichlich sind, falls die Arbeitgeberseite nicht zu substanziellen Verbesserungen des Schlichterspruchs bereit ist. Die Nagelprobe dafür ist der kommende Donnerstag, an dem die nächsten Tarifgespräche beider Seiten stattfinden. Ein möglicher Arbeitskampf soll aber erst Mitte September beginnen. Dann enden in Bayern und Baden-Württemberg die Sommerferien.
Nur die Linkspartei hat einen Vorschlag parat, wie man eine spürbare "Aufwertung" des Erzieherberufs finanzieren könnte. Der Bund solle die Kommunen mit jener Milliarde Euro unterstützen, die durch das höchstrichterlich bestimmte Aus für das Betreuungsgeld frei werden.
Extra

Nicht nur auf die Schule, sondern auch auf den Kita-Besuch müssen Kinder nach Ansicht von Kinderärzten vorbereitet werden. Je jünger ein Kind sei, desto länger dauere in der Regel die Eingewöhnungszeit, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, am Montag anlässlich des Ferienendes in Köln. "Abschied und Trennung müssen geübt werden." KNA

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