RUGBY-REPORTAGE: Mr. Gilbert und das Gerangel ums Ei

TRIER. Wussten Sie, dass es in Trier eine Rugby-Mannschaft gibt? Es gibt sie und zwar seit über 20 Jahren. Der TV besuchte das Training des Regionalligisten FSV Trier-Tarforst, um ein wenig Licht ins Schattendasein eines Traditionssports zu bringen.

 Schlagen, Beinstellen und am Hals halten verboten: Gemäß der Regeln entreißt Achim Maier (links) beim Training seinem Mannschaftskollegen den Ball.Foto: Hans Krämer

Schlagen, Beinstellen und am Hals halten verboten: Gemäß der Regeln entreißt Achim Maier (links) beim Training seinem Mannschaftskollegen den Ball.Foto: Hans Krämer

Regungslos stehen sie sich gegenüber. Achim Maier fixiert Mr. Gilbert, der keinerlei Reaktion zeigt. Der Trierer Rugbyspieler lässt sich jedoch nicht von seinem Gegner einschüchtern: Er sprintet los, stürzt sich mit der vollen Wucht seines Körpers auf Mr. Gilbert und entreißt ihm dabei den ovalen Ball. Sofort ist ein Mitspieler an seiner Seite, der das Ei an sich nimmt und es nach hinten weiter passt. Der Ball ist erobert, Mr. Gilbert liegt am Boden, geschlagen. "Er wehrt sich nicht, klagt nicht und man landet relativ weich auf ihm", sagt Achim Maier, als er den blauen Schaumstoffsack mit Namen Mr. Gilbert wieder aufrichtet, damit die nächsten Mannschaftskollegen das so genannte "Tackling" üben können. "Unser gemeinsames Ziel ist es, den Ball zu erobern und ihn dann zu verteidigen", sagt Spielertrainer Ansgar Berger, der die Kontaktübung auf dem Rasenplatz betreut. Zwei Mal in der Woche trainiert der Rugby-Regionalligist des FSV Tarforst das Spiel, das nur zu gerne und aus Sicht der Spieler "leider zu oft" mit American Football verwechselt wird. Auf die Klarstellung, dass Football einst als Abwandlung aus dem traditionell britischen Rugby entstand, und bei Rugby das Gerangel ums Ei ohne Rüstung und Helm stattfindet, folgt dann ebenfalls "zu oft": "Das ist ja noch brutaler." Doch was auf Außenstehende so animalisch und aggressiv wirkt, als hätte man eine Horde eifersüchtiger Ehemänner aufeinander losgelassen, benötigt in Wahrheit Taktik und Technik, Kraft und Kondition. Und über allem steht der Teamgeist, betont der Trainer und erzählt, dass Anfänger oft erst lernen müssen, nicht einfach mit dem Ball auf eigene Faust davonzulaufen. "Nur wenn jeder einzelne seine Aufgabe erfüllt, und gleichzeitig seine Mitspieler unterstützt, erreichen wir das Ziel: die Verteidigungslinie des Gegners zu durchbrechen und den Ball ins gegnerische Malfeld (Siehe Hintergrund: Regeln) zu tragen." Ansgar Berger selbst, der seit sieben Jahren Rugby spielt, ist der so genannte Verbinder, der Spielmacher des Teams. In seiner Mannschaft gibt es zudem acht Stürmer, und vier so genannte Dreiviertelspieler (Läufer), einen Gedrängehalb und den Schlussmann. Für jede dieser Positionen sind besondere Aufgaben vorgesehen und besondere Fähigkeiten erforderlich. Kleine, muskulöse Spieler finden beim Rugby genauso ihren Platz wie große schlanke oder windige schnelle Typen. "Und man kann sofort mitspielen", sagt Achim Maier, der aber einräumt, dass er die Regeln in ihrer Gänze erst nach einem halben Jahr verstanden hatte. Gleich im ersten Probetraining wusste der Ex-Fußballer jedoch, dass Rugby das Richtige für ihn ist. Und mit den Konsequenzen - Platzwunden, Schrammen, blaue Flecke - hat er zu leben gelernt. Seit einem Jahr zieht Maier nun schon mit der Mannschaft, die halb aus Studenten, halb aus amerikanischen Soldaten (stationiert auf der Airbase Spangdahlem) besteht, von Spiel zu Spiel. Mal geht es am Wochenende zu Turnieren, mal zu Freundschaftsbegegnungen oder zu den Spielen der Regionalliga Rheinland-Pfalz, in der die Mannschaft schon, seit es sie gibt, also seit Anfang der 80er Jahre, um Punkte kämpft. Seit über 20 Jahren gibt es Rugby in Trier und kaum einer weiß davon. "Wir hoffen, dass wir Zuwachs und Nachwuchs aus der Region gewinnen können", sagt Ansgar Berger. Zuwachs für die Männer- und die Frauenmannschaft des Vereins. Und Nachwuchs, damit sie endlich auch eine Jugendmannschaft gründen können. Dass Rugby ein so unbekannter Sport ist, daran wird die Mannschaft vor allem erinnert, wenn statt jubelnder Fans nur vereinzelt ein paar Zuschauer, meist Verwandte und Bekannte, am Spielfeldrand mitfiebern. Aber auch ohne Ruhm haben sie alle Spaß am Spiel, und vor allem Spaß an den Partys danach. "Vor kurzem hatten wir das Gouda-Team aus Holland zu Gast. Nach dem Spiel ging es dann, wie es Tradition ist, gemeinsam ins Irish Pub. Ein Abend, unvergessen", erinnert sich Ansgar Berger grinsend, der das Gesellige besonders schätzt. Da wird ausgelassen gesungen und getrunken, erzählt er. Jeder Verein hat auch eine eigene Hymne, die er dem anderen vorsingt: "We're the Trier Rugby club, and it's that time of the year, we just can't get enough of Rugby, drugs and beer." Wer mehr hören möchte, dem sei zu einem Besuch geraten. Doch Vorsicht: Auf Außenstehende wirken singende Rugby-Spieler vermutlich auch beim Gerangel um Bier irgendwie animalisch. Ansprechpartner für alle, die mitspielen wollen, ist Achim Maier, Telefon 0651/ 4366572.

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