Eine Zeitreise im Kinosessel

"Heimat" hat auch nach 25 Jahren seine Fangemeinde. Das zeigte sich bei einem Kino-Wochenende anlässlich des 25. Jahrestages des Filmepos aus dem Hunsrück. Der Hunsrücker Filmemacher Edgar Reitz war persönlich anwesend.

Simmern. Sonntagabend, 21.15 Uhr. Der letzte Filmvorhang fällt. Das Publikum im Pro-Winzkino klatscht minutenlang. Sie haben gerade rund 16 Stunden Kino-Marathon hinter sich. Gezeigt wurde der erste Teil der "Heimat"-Trilogie von Edgar Reitz, der vor 25 Jahren uraufgeführt wurde.

"Ich muss jetzt wohl etwas sagen", äußert sich der gefeierte Hunsrücker Filmregisseur. Film und Erlebnis seien für ihn persönlich kaum noch zu trennen. Er machte dies an einem Beispiel fest. Am Schluss der elften Folge feiert man im fiktiven und doch berühmten Ort Schabbach Kirmes. Dort fahren die lebenden Schabbacher Kettenkarussell, und die Toten feiern im Festsaal. Vor genau 27 Jahren sei damals die letzte Klappe von "Heimat 1" gefallen. Anschließend "ging für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung", erklärt Reitz. Er habe an seinem 50. Geburtstag so lange Karussell fahren können, wie er wollte.

Besucher aus Belgien und den Niederlanden



Auch für die rund 100 Kino-Gäste des Kino-Erlebnisses inklusive Empfang im Schloss anlässlich des 77. Geburtstags des Simmerner Ehrenbürgers Reitz hört "Heimat" nicht auf, wenn auf der Leinwand das Wort Pause erscheint. Sie treffen nicht nur ihn und seine Frau Salome Kammer, sondern auch weitere Darsteller, wie Eva-Maria Schneider, die im Film die "Marie-Goot" spielt. Die Kirchbergerin verfolgt die Vorführung der elf Teile, "auch wenn ich eigentlich den Text auswendig kann". Während die Laienschauspielerin regelmäßig bei ähnlichen Treffen dabei ist, freut sich die Fangemeinde besonders über die Anwesenheit von Hauptdarstellerin Marita Breuer, die die Maria Simon von ihrem 18. bis zum 82. Lebensjahr spielt. Sie macht sich bei derartigen Auftritten ansonsten rar.

Viele sind von weit angereist. Beispielsweise aus Belgien, den Niederlanden, aus Hannover und München. Die Gründe für die Faszination sind vielfältig. Rainer Geis aus Rossbach in Unterfranken kann sie sich nicht recht erklären: "Entweder man ist angefixt, oder man ist es nicht." Er und sein Cousin Manfred Püchner, die die letzten beiden Kinokarten ergatterten, gehören jedenfalls zur ersten Kategorie. Sie haben bereits eine Rundreise zu den "Heimat"-Drehorten auf eigene Faust gemacht. Für Ingrid Weirich aus Schlierschied sind die zwei Tage im Kinosessel eine persönliche "Zeitreise in die Vergangenheit". Denn sie ist die Tochter des verstorbenen Rudi Molz und seiner Frau Marga Molz.

Deren Gastwirtschaft in Woppenroth spielt in der Entstehungsgeschichte des Films eine wichtige Rolle. Dort trafen sich Filmemacher und Darsteller abends nach den Dreharbeiten. Molz hatte Reitz mehrfach vorgeschlagen, dass der Film "Heimat" heißen solle. Vorgesehen war zunächst "Made in Germany".

Die Hunsrücker haben ihren ganz eigenen Zugang zum Filmepos. Bernd Ries aus Külz und seine Schwägerin Ellen Schneider aus Mainz sind begeistert vom Hunsrücker Platt im Film. Edgar Reitz sei es zu verdanken, dass diese Sprache, die im Alltag langsam verschwinde, erhalten bleibe, sagt Ries. Für Reitz war dies offenbar besonders wichtig. Nicht umsonst lässt er eine seiner Figuren im Film sagen: "Im Himmel schwätzt man Hunsrücker Platt."

Fangemeinde kann auf weiteren Film hoffen



Gegenstand vieler Gespräche im Simmern war die Frage nach dem nächsten Film von Edgar Reitz. Doch die Fangemeinde muss sich darüber keine Sorgen machen. Salome Kammer und ihre Münchener Freunde Maria Reiter und Christoph Hellhake verrieten beim Empfang im Schloss im Rahmen eines Geburtstagsständchen, dass es längst ein neues Script gibt. Aus der Sicht eines Drehbuchs fordern sie Reitz musikalisch auf: "Dreh, Edgar, dreh. Ich bin schon da."

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