Heimwerkerbranche entdeckt die Kundin

Essen (dpa) · Selbst ist die Frau“ gilt längst auch für den Umgang mit Bohrer und Malerrolle: Auf der Selber-Mach-Welle surfen inzwischen immer mehr Frauen. Das hat auch die Baumarkt- und Heimwerkerbranche erkannt.

 Tapezieren, Streichen, Fliesen und Laminat verlegen - viele Frauen wollen sich heutzutage nicht mehr auf die Männer verlassen. Foto: Caroline Seidel

Tapezieren, Streichen, Fliesen und Laminat verlegen - viele Frauen wollen sich heutzutage nicht mehr auf die Männer verlassen. Foto: Caroline Seidel

So mancher Akkuschrauber im Baumarkt-Sortiment passt heute in jede Handtasche. Mit kleinen, leichten Geräten wirbt die Branche um eine Zielgruppe, die schon seit einigen Jahren mit Macht an die Heimwerkerbänke drängt: Schätzungen der Baumärkte zufolge sei inzwischen knapp die Hälfte der Kundschaft weiblich, berichtet Mareike Hermann von der Do-it-yourself-Academy. Das Schulungsinstitut arbeitet eng mit Märkten zusammen und bietet seit Jahren Kurse für handwerkliche Fähigkeiten an.

Baumärkte buhlen ihrerseits ebenfalls mit kostenlosen Workshops um die weibliche Klientel: Obi lädt „Macherinnen“ zu gleichnamigen Kursen. Bauhaus ruft in seinen Märkten gelegentlich die „Women's Week“ aus. Frauen sollen die wichtigsten handwerklichen Kniffe lernen - und zwar ohne den kritischen Seitenblick der vermeintlich erfahrenen Heimwerkerkönige im Haus.

„Frauen sind viel mutiger geworden. Sie wollen nicht auf fremde Hilfe im Haus angewiesen sein“, begründet Mareike Hermann die Entwicklung. Zu den Teilnehmerinnen der Heimwerkerkurse an der Akademie gehörten häufig Studentinnen, die ihre erste eigene Wohnung lieber ohne Papi oder großen Bruder einrichten möchten. Auch Alleinstehende und Witwen machten mit bei dem Angebot „Selbst ist die Frau“, das Basiswissen im Heimwerken vermittelt. „Sie wollen nicht mehr für jedes Loch in der Wand einen Handwerker bestellen“, sagt Hermann. So liege das Geschlechterverhältnis auch in den Kursen, die sich an Männer wie Frauen gleichermaßen richten, bei 40 zu 60.

„Frauen wagen sich längst nicht mehr nur an die kleinen Sachen, sondern wollen auch wissen, wie man Fliesen legt und Mauerwerk verputzt“, so Hermann. Grenzen bei der handwerklichen Tätigkeit sieht sie, selbst gelernte Schreinerin, dabei kaum. Die körperliche Belastbarkeit sei eine andere, aber die Produkte würden auch zunehmend auf die weibliche Klientel eingestellt. „Seit längerem legen Hersteller viel Wert auf die Ergonomie der Geräte“. Elektrowerkzeuge oder Gartenscheren, Hammer oder Meißel: Die Geräte werden leichter, viele schmeicheln mittlerweile auch der kleineren Frauenhand.

Ein Miniatur-Akkuschrauber der Firma Bosch, nicht mal 1,5 Kilo schwer, verkaufte sich nach Firmen-Angaben inzwischen 12 Millionen Mal - nicht nur, aber eben auch an Frauen, wie Sprecherin Bettina Dannenmann betont: Der Trend zu klein, leicht, handlich, richte sich aber an Heimwerker beiderlei Geschlechts in einer älter werdenden Gesellschaft. „Wir entwickeln nicht explizit für Frauen bestimmte Produkte“, betont Dannenmann. Die Sonderedition des Minibohrers mit Strass-Steinchen, die vor einigen Jahren kurzzeitig zu kaufen war, war denn wohl eher auch als Marketing-Gag zu verstehen.

Jenseits der Baumärkte treibt der Trend zur Heimwerkerin noch ganz andere Blüten. Im wahrsten Wortsinne: Geschenkartikelhersteller bieten Werkzeuge in blumigem Dekor feil. Das Label „Tussi on Tour“ vertreibt einen Werkzeugkoffer und dazugehörigen Akkuschrauber in grellem Pink. „Es ist kein Profiwerkzeug, aber ein beliebtes Geschenk von Frauen für Frauen“, sagt Geschäftsführer Michael Beneke von Trend Import. Frauen, die zum rosaroten Hammer greifen, sähen in ihm ein witziges modisches Accessoire - mit dem aber auch gearbeitet werde, wie Beneke überzeugt ist.

In den USA ist Tomboy Tools mit einer rosaroten Geschäftsidee auf dem Heimwerkerinnenmarkt erfolgreich: Auf Werkzeugpartys werden hier pinke Hammer und Sägen an die Frau gebracht, wie man es hierzulande eher von Kunststoffboxen für den Haushalt kennt. „Es geht um mehr als nur die Werkzeuge“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. „Es sind die Fortbildung, die Inspiration, der Spaß und die gesellige Atmosphäre, die helfen, die Produkte zu verkaufen und gleichzeitig das Selbstvertrauen bei den Frauen erwecken, ihre eigenen Heimwerkerprojekte zu starten“. In einem Jahr soll es solche Partys auch in Europa geben.

 Martina Lammel hat's geschafft: Sie ist die neue „Miss Do-it-yourself“. Foto: Caroline Seidel

Martina Lammel hat's geschafft: Sie ist die neue „Miss Do-it-yourself“. Foto: Caroline Seidel

 Frauen haben das Heimwerkern für sich entdeckt. Sabrina Schatz hat den Pinselschwung so gut drauf, dass sie am „Miss Do-it-yourself“-Wettkampf teilnahm. Foto: Caroline Seidel

Frauen haben das Heimwerkern für sich entdeckt. Sabrina Schatz hat den Pinselschwung so gut drauf, dass sie am „Miss Do-it-yourself“-Wettkampf teilnahm. Foto: Caroline Seidel

Handwerkliches Geschick und Kreativität haben sechs Kandidatinnen bei der Wahl zur deutschen „Miss Do-it-yourself“ unter Beweis gestellt. Den Wettbewerb um den Titel als beste Heimwerkerin Deutschlands gewann am Sonntag (3. November) Martina Lammel aus Ettlingen in Baden-Württemberg. Auf der Messe „Mode, Heim, Handwerk“ in Essen setzte sich die 43-Jährige in den Disziplinen Tapezieren, Fliesen und Laminat verlegen sowie Anstreichen gegen sechs Mitbewerberinnen durch. In einem dreistündigen Wettbewerb gestalteten sie eine Raumnische nach ihren Vorstellungen.

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