Google soll sich ändern - oder zahlen

Brüssel · Die EU-Kommission wirft dem Internetsuchanbieter Missbrauch seiner Marktmacht vor. Als Konsequenz verschärft die Kommission das Wettbewerbsverfahren gegen den US-Konzern.

Brüssel. Das Geschäftsmodell von Google steht möglicherweise auf der Kippe. Die Brüsseler EU-Kommission, die die Wettbewerbsregeln in Europa überwacht, fordert von dem IT-Giganten aus dem Silicon Valley, seine eigenen Dienste bei der Internetsuche nicht länger zu bevorzugen, sondern Konkurrenten gleich zu behandeln.
Weil dies seit 2008 nicht der Fall sei, stellte die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch offiziell einen Missbrauch der Marktmacht durch Google fest und leitete die nächste Stufe im entsprechenden Kartellverfahren ihrer Behörde ein. Damit droht Google, wenn es seine Geschäftspraktiken nicht ändern sollte, eine saftige Milliardenstrafe - bis zu zehn Prozent des Umsatzes.
Die EU-Kommission spricht von einer "systematischen Bevorzugung" eigener Zusatzangebote durch Google. Wer etwa online etwas kaufen will, bekommt dort an erster Stelle in der Ergebnisliste stets die Angebote des Preisvergleichsdienstes "Google Shopping" zu sehen - "unabhängig von der Relevanz", wie die Brüsseler Behörde kritisiert. Dadurch würde nicht nur Verbrauchern das für sie am besten passende Angebot erst weiter unten in der Trefferliste gezeigt - wo es Studien zufolge deutlich seltener angeklickt wird. Auch die Konkurrenz werde benachteiligt, da sie unabhängig von der Qualität ihres Angebots keine Chance habe, ganz oben auf der Trefferliste zu landen.
Die EU-Kommission fordert nun unmissverständlich ein Ende der Vorzugsbehandlung: "Google sollte die Preisvergleichsdienste seiner Konkurrenten genau so behandeln wie seine eigenen." Aus dem künftigen Umgang mit den Einkaufsdiensten soll nach dem Willen von Kommissarin Vestager ein "Präzedenzfall" werden, der auch auf ähnlich gelagerte Praktiken von Google bei der Hotel- oder Flugsuche sowie Nachrichten im Internet Anwendung finden könnte.
Deutlich erhöhter Druck


Nachdem Vestagers Vorgänger Joaquin Almunia auf eine einvernehmliche Lösung mit Google gesetzt hatte, die drei Kompromissangebote des Unternehmens aber letztlich als unzureichend zurückgewiesen worden waren, erhöht die neue Kommissarin den Druck nun deutlich.
Das Verfahren läuft seit 2010 und stützt sich unter anderem auf Beschwerden der europäischen Verbraucherzentralen, eines britischen Preisvergleichsportals, eines Microsoft-Tochterunternehmens sowie der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger. Die Verschärfung des Verfahrens gegen Google wurde gestern weithin begrüßt - so etwa von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).
Google selbst wies die Anschuldigungen am Mittwoch erneut zurück. "Google mag die am meisten genutzte Suchmaschine sein", heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens, "aber die Menschen können heute Informationen auf vielfältige Weise finden - die Vorwürfe, Konsumenten und Konkurrenten Schaden zuzufügen, gehen weit am Ziel vorbei." Der Grünen-Europaabgeordnete Michel Reimon dagegen hält "Googles Argument, dass Internetnutzer jederzeit eine andere Suchmaschine wählen könnten, für eine Irreführung: Wenn andere Anbieter durch Google daran gehindert werden, zu wachsen und Informationen zu verbreiten, schrumpft die Vielfalt der Informationen im Netz. Das regelt sich nicht von selbst oder durch das Verhalten von Nutzern."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort