Wie Trier vor 75 Jahren den Beginn des Krieges erlebte

15 Kilometer breit war der Streifen entlang der Grenze nach Frankreich und Luxemburg, der in der ersten Kriegswoche 1939 von der Zivilbevölkerung verlassen werden musste. Der Heimatforscher Adolf Welter hat diese Zeit als Kind selbst erlebt.

 Einquartierung 1939 in Liersberg. Das Bild zeigt auch Westwall-Arbeiter.

Einquartierung 1939 in Liersberg. Das Bild zeigt auch Westwall-Arbeiter.

Foto: Sammlung Adolf Welter

Am 30. August 1939 um 0.32 Uhr wurde von der Parteizentrale in Koblenz telefonisch das Kennwort "Adventskranz" nach Trier durchgegeben. Es leitete die Vorbereitungen zur Räumung der "Roten Zone" ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte, wohlgemerkt, der Polenfeldzug überhaupt noch nicht begonnen. Am 1. September 1939 mussten die Orte vor beziehungsweise im Westwallgelände innerhalb weniger Stunden geräumt werden, wobei die Betroffenen lediglich etwas Kleidung und Verpflegung mitnehmen durften. Alles übrige Hab und Gut musste zurückbleiben.

Das Räumungsgebiet reichte fast bis an den Stadtrand von Trier. Konz, Igel, Zewen, Oberkirch, Liersberg, Herresthal, Trierweiler und Sirzenich wurden geräumt, sodass Euren das westlichste nicht evakuierte Gebiet war. Die Vorgänge in den Nachbarorten veranlassten viele Eurener, vorsichtshalber ebenfalls zu packen. Sie saßen an den sonnigen ersten Septembertagen vor ihren Häusern in banger Erwartung des befürchteten Abtransports. Alles Leben im Ort schien gelähmt. Zeigte sich ein uniformierter politischer Leiter auf der Straße, so wurde er von den Frauen sofort mit Fragen über die weitere Zukunft bestürmt.

Die generalstabsmäßige vorbereitete Räumungsaktion, bei der selbst unbedeutende Kleinigkeiten berücksichtigt waren, enthielt jedoch auch einige gravierende Fehler. So war die Bergung der umfangreichen Kartoffel-, Getreide- und Futterbestände sowie die Zahlung einer Entschädigung an die Besitzer nicht eingeplant.

Auch bei der Rückführung der Viehbestände gab es schwerwiegende Pannen. So hatte niemand daran gedacht, dass die Kühe unterwegs gemolken werden mussten. Da dafür weder Leute eingeteilt noch Gefäße vorhanden waren, brüllte das Vieh bald vor Schmerzen. Große Viehherden aus den Dörfern an der Sauer wurden bis in das Kyllgebiet geführt.

In Euren wurde mit der Dorfschelle bekannt gegeben, dass alle Personen, die melken konnten, sofort mit Eimern in das heutige Bobinet-Gelände kommen sollten, um das dort zusammengetriebene Vieh, dabei auch viele Ziegen, zu melken. Zahlreiche Jugendliche gingen aus Neugierde mit, um sich die Sache dort anzusehen.

Die gesamte Aktion blieb den Trierern natürlich nicht verborgen, zumal sich am Güterbahnhof die Evakuierten stauten. Die dadurch verursachte Aufregung legte sich erst, als am 5. September 1939 im "Nationalblatt" in einem großen Artikel versichert wurde, dass Trier und die Vororte nicht geräumt würden.

Pastor Theis versah in den geräumten Orten Zewen und Oberkirch für die wenigen mit Sondergenehmigung Zurückgebliebenen den notwendigen kirchlichen Dienst, machte Versehgänge und begrub die Toten.
Die bereits mit dem Bau des Westwalls 138 detailliert ausgearbeiteten Räumungspläne sahen jedoch eine Teil-Evakuierung der sogenannten "grünen Zone", zu der das Stadtgebiet Trier gehörte, vor. Deshalb wurden ab 6. September 1939 vorsorglich bereits Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie das Gefängnis evakuiert. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Partei bereits bei dieser Gelegenheit Personen verschwinden ließ (…).
Am 7. September 1939 war die "Freimachung West" beendet. Die Bewohner, bis auf wenige Personen mit Ausnahmegenehmigung, waren überwiegend in Viehwaggons nach Mitteldeutschland transportiert worden. Bei ihrer Rückkehr im Mai/Juni 1940 fanden sie in der Regel ihre Häuser, in denen deutsche Soldaten einquartiert waren, geplündert und verwüstet vor.

Adolf Welter

Der Text ist mit Genehmigung des Autors der "Chronik Trier-Euren 1939-1948 - ein Beitrag zur Geschichte des Trierer Landes" entnommen. Die Chronik ist vergriffen und kann nicht mehr käuflich erworben werden.
Aktion Zeitzeugen

 Die Ersten Toten des Luftkriegs wurden am 11. September 1939 in Saarburg mit allen militärischen Ehren bestattet: Jean Sûeur und Jean Rossignol, eine französische Flugzeugbesatzung.

Die Ersten Toten des Luftkriegs wurden am 11. September 1939 in Saarburg mit allen militärischen Ehren bestattet: Jean Sûeur und Jean Rossignol, eine französische Flugzeugbesatzung.

Foto: Sammlung Adolf Welter
 Adolf Hitler am 16. Mai 1939 an der Bahnrampe Trier-West.

Adolf Hitler am 16. Mai 1939 an der Bahnrampe Trier-West.

Foto: Sammlung Adolf Welter

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