Kickboxen Ganzkörpertraining für Fitness und Selbstbewusstsein

Trier · Sascha Baschin war Profi-Weltmeister im Kickboxen, Rüdiger Jacob ist Soziologie-Professor in Trier. Die beiden erzählen, warum sie Kampfsport für den idealen Sport für Körper und Geist halten.

 Sascha Baschin.

Sascha Baschin.

Foto: Holger Teusch

Im Sommer konnte Rüdiger Jacob nicht richtig trainieren. Eine Verletzung hinderte den Trierer Soziologie-Professor daran zu boxen. Klar, Kampfsport, werden nun die meisten denken. Da verletzt man sich doch dauernd. Aber die Schulter tat Jacob nicht wegen des Trainings in der Kampfsport-Akademie, einer von etwa einem halben Dutzend Kampfsportschulen in Trier, weh. Ein Sturz mit dem Mountainbike war die Ursache. „Die Verletzungsgefahr schätzen die meisten falsch ein“, sagt er zum weitverbreiteten Vorurteil. „Es ist statistisch bewiesen, die Verletzungsgefahr ist geringer als beim Fußball“, ergänzt Sascha Baschin.

Der 43-Jährige hat sowohl intensiv Fußball gespielt als auch professionell Kickboxen betrieben. Als Sechsjähriger probierte der gebürtige Trierer schon Judo und Karate aus – nachdem er heimlich Bruce Lee im Fernsehen geguckt hatte. Doch dann kam er – wie viele Jungs – doch zum Fußball, spielte bei der Eintracht und beim FSV Salmrohr. Als sein damaliger Chef ihn vor die Wahl stellte, entweder Fußball oder der Job, zog er die Stollenschuhe aus und kehrte auf die weichen Bodenmatten zum Kampfsport zurück. Ab 1999 kämpfte Baschin als Amateur, wurde neunmal Deutscher Meister im Kickboxen, als Profi zweimal Europameister und erfüllte sich 2013 und 2014 seinen großen Traum: Baschin wurde Weltmeister im Vollkontaktkampf bis 79 Kilogramm.

Das Training, bis zu zwölf Einheiten pro Woche, absolvierte Baschin neben seinem Hauptberuf als selbstständiger Versicherungsmakler und seiner Trainertätigkeit an der von ihm 2012 gegründeten Kampfsport-Akademie in Trier, die mittlerweile auch Ableger in Föhren und Serrig hat. „Eine 60-Stunden-Woche war nichts“, erzählt er: morgens um sechs Uhr bis zu 20 Kilometer Dauer­lauf, dann bis zum Nachmittag ins Büro und anschließend zum Training. Vor zehn Uhr abends war er selten zu Hause. „Mir ging es um den Zweikampf“, sagt er zu seiner Motivation. Mann gegen Mann!

Aber geregelt, sportlich! Disziplin und Respekt vor Gegner und auch Trainingspartner sind für Baschin Grundvoraussetzungen, um bei der Kampfsport-Akademie zu trainieren. Jeder müsse den Namen seines Gegenübers kennen, sagt er. Und Handys seien beim Training sowieso verboten, ergänzt Jacob. Schlägertypen bildet Baschin nicht aus. „Ich habe schon Leute rausgeworfen, die sich auf der Straße geprügelt haben“, sagt er. „Der beste Kampf ist der, dem man aus dem Weg geht“, ergänzt Jacob. „Aber wenn das nicht geht, lernen wir, was für Möglichkeiten wir haben.“ Das macht selbstbewusst. „Man wirkt nicht wie das typische Opfer“, erklärt der Soziologe. Das schreckt Provokateure ab.

Unter den rund 200 Kindern und 150 Erwachsenen, die in Baschins Kampfsport-Akademie trainieren, sind fast zwei Drittel weiblich. Das Training sei „Gewinn für Physis und Psyche“ hat Jacob erfahren, seit ihn Christoph Heib vom Uni-Sport empfohlen hat, als Ausgleich zum vielen Sitzen im Beruf bei Baschin zu trainieren. „Es gibt kaum ein effektiveres Ganzkörpertraining als Boxen und Kickboxen“, ist er überzeugt. Kraftausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Reaktionsfähigkeit werden gestärkt.

Wenn Samih Mese, selbst WM-Dritter und einer der vier Trainer der Kampfsport-Akademie, mit dem Training beginnt, heißt das zuerst Seilspringen zum Aufwärmen. Rocky lässt grüßen! Dann lässt der Jura-Student ein Dutzend Frauen und Männer vor dem großen Spiegel der Trainingshalle einige Techniken üben: Schattenboxen. Neben Sparring und dem Bearbeiten der Sandsäcke ein ganz wichtiger Bestandteil der Trainings, sagt Baschin. „Bis ein Schlag oder Tritt automatisiert ist, vergehen 100 000 Übungen“, erklärt er. Es kommt nicht nur darauf an fest zuzuschlagen, sondern auch darauf, sich dabei nicht selbst zu verletzen und dem Gegner kein unnötig großes Angriffsfeld zu bieten. Denn wer angreift, muss auch seine Deckung öffnen.

In der kommenden Woche wird Mese die Techniken selbst wie im Schlaf durchführen. Er und der 14-jährige Till Knopp fahren mit Baschin zu den Weltmeisterschaften nach Bregenz (siehe Extra). Am 9. November bestreitet Mese in Luxemburg sogar einen Profikampf.

Cutwoman Sylvia Romeyke

 Samih Mese (in der grauen Jacke), einer der vier Trainer der Kampfsport-Akademie, beim Kickbox-Training.

Samih Mese (in der grauen Jacke), einer der vier Trainer der Kampfsport-Akademie, beim Kickbox-Training.

Foto: Holger Teusch

Sylvia Romeyke ist in eine Männerdomäne eingebrochen. Die 31-Jährige aus Trier ist eine der wenigen Frauen, die als Cut(wo)man in den Ecken der Boxringe steht. Ihre Aufgabe: Blessuren in den Pausen zwischen den einzelnen Runden behandeln. „Ich versorge das so, dass der Ringarzt den Kampf nicht abbricht“, erklärt Romeyke. Das bedeutet bei einer Platzwunde, einem Cut, das die Blutung gestillt werden muss. Das ist aber nur das, was der Zuschauer sieht, denn manche Verletzungen treten erst mit Verzögerung zutage. Besonders da kommt ihr ihre Erstausbildung als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin zugute. Vor einem Kampf bandagiert Romeyke den Sportlern die Hände und Handgelenke. Selbst betreibt sie bereits seit zwölf Jahren Kickboxen. „Es wird nie langweilig und es sind die Erfahrungen, die man über sich selbst macht“, sagt sie zur Faszination, die der Sport auf sie ausübt und den sie als Trainerin in der Kampfsport-Akademie Kindern vermittelt.

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