Panne in Fessenheim heizt Streit um Abschaltung an

Fessenheim · Ein Störfall im elsässischen Atomkraftwerk Fessenheim soll deutlich schwerer gewesen sein als bisher bekannt. Das Bundesumweltministerium fordert deshalb erneut die Abschaltung des ältesten Meilers Frankreichs.

Der Bericht erschien ausgerechnet am Tag des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris: Im Atomkraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze soll sich vor zwei Jahren eine schwere Panne ereignet haben. Eine Überflutung in Block eins habe zu einer "Abfolge von technischem Versagen und Chaos" geführt, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag. Experten sehen einen bisher einzigartigen Vorfall in Westeuropa. Die Reaktion aus Berlin folgte nur wenige Stunden später: "Fessenheim muss vom Netz", forderte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Kurznachrichtendienst Twitter. Doch die französische Atomaufsicht ASN, die den Vorfall offenbar herunterspielte, sieht dazu keinen Grund. "Tauziehen zwischen Deutschland und Frankreich um Fessenheim", schrieb deshalb die Zeitung "Le Figaro".

Der Störfall im ältesten französischen Atommeiler ereignete sich laut "Süddeutscher Zeitung" und WDR am 9. April 2014. Eine Überschwemmung brachte Wasser in die Schaltschränke mit der Sicherheitselektronik in Reaktor eins. Die Steuerstäbe, mit denen die Leistung des Reaktors gelenkt wird, waren offenbar manövrierunfähig. Dazu wurde durch das Wasser in den Schaltschränken eines der beiden parallelen Sicherheitssystem außer Kraft gesetzt, so dass der Reaktor durch eine Einleitung von Bor heruntergefahren werden musste. Der Betreiber, der Stromkonzern EDF, ordnete den Vorfall auf der internationalen siebenstufigen INES-Skanal nur mit Stufe eins ein. Experten sehen die Situation allerdings deutlich dramatischer: "Mir ist kein Fall bekannt, wo ein Leistungsreaktor hier in Westeuropa störfallbedingt durch Zugabe von Bor abgefahren werden musste", sagte der Akw-Experte Manfred Mertins der "Süddeutschen".

"Akw, das aus dem letzten Loch pfeift"

Grünen-Chefin Simone Peter kritisierte im WDR: "Ein Betreiber, der wie ein Hasardeur agiert, eine Aufsicht, die beide Augen zudrückt, und ein Akw, das aus dem letzten Loch pfeift. Das ist nicht hinnehmbar." Atomkraftgegner aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich weisen seit Jahren auf die Gefahren in Fessenheim hin. Die beiden Reaktoren liegen in einer erdbebengefährdeten Zone am Oberrheingraben, nur knapp 30 Kilometer von Freiburg entfernt. "Wir fordern die Schließung", sagte die Sprecherin der französischen Anti-Atom-Bewegung Sortir du Nucléaire, Charlotte Mijeon, im Fernsehen. "Da kann nicht weiter daran herumgeflickt und Geld aus dem Fenster geworfen werden."

Doch die französische Regierung spielt auf Zeit: Präsident François Hollande hatte im Wahlkampf die Schließung von Fessenheim bis zum Ende seiner Amtszeit im Mai 2017 versprochen. Seine frühere Lebensgefährtin, Umweltministerin Ségolène Royal, ist davon allerdings abgerückt. Sie knüpft das Aus für Fessenheim an die Inbetriebnahme des Druckwasserreaktors EPR in Flamanville am Ärmelkanal, die sich immer weiter verzögert. Inzwischen ist vom vierten Quartal 2018 die Rede. Die anderen Akw, darunter das ebenfalls pannenanfällige Cattenom im Grenzgebiet zu Luxemburg und Deutschland, will sie noch zehn Jahre länger laufen lassen. Die Atomkraft macht in Frankreich, dem Atomstromproduzenten Nummer eins in Europa, einen Anteil von 75 Prozent am Strommix aus.

Saarländischer Umweltminister fordert Abschaltung des französischen Pannen-Reaktors

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