Bomben zum Weihnachtsfest

Bitburg · Der 24. Dezember 1944: Für viele Bitburger war dieses Weihnachtsfest kein Anlass zu feiern. Amerikanische Jagdbomber legten Teile der Stadt in Trümmer. Der Bitburger Helmut Conrady, damals zwölf Jahre alt, verlor bei dem Angriff seine Mutter.

 Helmut Conrady.TV-Foto: Bettina Bartzen

Helmut Conrady.TV-Foto: Bettina Bartzen

Bitburg. Zwölf Jahre alt war Helmut Conrady, als am Nachmittag des 24. Dezembers 1944 eine Bombe das Haus seiner Eltern, die ehemalige "Schadeberg-Villa", traf. Dennoch erinnert sich der heute 79-Jährige daran, als sei es gestern gewesen: Zuerst habe es einen Knall gegeben, dann sei es stockdunkel und vollkommen still geworden. Das Haus stürzte in sich zusammen, die Familie wurde unter Trümmerteilen begraben. "Ich lag unter dem Arm meines Vaters", berichtet Conrady und ergänzt: "Das war mein Glück, weil ich dadurch atmen konnte."
Deutsche Soldaten und Gefangene gruben die Verschütteten aus. Conradys Mutter überlebte den Bombenangriff nicht: Der Luftdruck hatte ihre Lungen zerrissen. Ein Bild, das Conrady nicht vergessen hat: Als der Zwölfjährige seine tote Mutter im Hof auf dem Boden liegen sah, rannte er schreiend um sie herum, erzählt er. Aber der Alltag musste weitergehen: Noch am selben Abend kämpfte sich der Junge durch meterhohen Schutt in den Stall - das Vieh musste gefüttert werden.
Vater und Sohn fanden Schutz in den dreistöckigen Kellern des heutigen Hotels Eifelbräu. Conrady erinnert sich noch gut an das heillose Durcheinander, das dort herrschte: Knapp 100 Flüchtlinge waren hier untergekommen - schreiende Kinder, betende Mütter, hungrige Menschen.
Viele bauten Matratzen auf, um dort zu schlafen. Tagsüber mussten unter Lebensgefahr Lebensmittel beschafft werden, die auf den provisorischen Kochstellen zubereitet wurden.
STADT GESCHICHTE(N)


"Meine größte Angst war, dass ich auch noch meinen Vater durch die vielen Leute im Keller verliere", erzählt Conrady. Seine Mutter wurde provisorisch im Familiengrab beerdigt, obwohl der Boden gefroren war.
Nach einer Woche im Keller fuhren Vater und Sohn mit dem Pferdewagen nach Deudesfeld zu Verwandten. Dort blieben sie, bis die Amerikaner kamen. Später zogen beide auf den Lindenhof. "Mein Vater machte den Haushalt, und ich habe das Vieh versorgt. Wir waren aufeinander angewiesen", sagt Conrady. Nach dem Krieg durften die Stallungen nicht mehr aufgebaut werden, weil die Bauernhöfe aus der Stadt ausgelagert wurden.
Als die Kulturgemeinschaft Bitburg unter der damaligen Leitung des Vorsitzenden Werner Pies 1996 Augenzeugenberichte unter dem Titel "Bitburg 1944/45 - eine tote Stadt" veröffentlichte und sich darin auch Conradys Geschichte wiederfand, meldete sich bei Conrady ein ehemaliger Soldat aus Goslar.
Er war es, der den damals Zwölfjährigen aus den Trümmern seines früheren Elternhauses gerettet hatte.
Die beiden trafen sich nach 53 Jahren wieder und erzählten von ihren Erlebnissen. Erlebnisse an einem Heiligabend im Jahr 1944, die der heute 79-Jährige niemals vergessen wird.

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