Zusammenleben auf dem Land

MERSCHEID. Zur Feier seines 20-jährigen Bestehens lädt der Verein Dörrwies zu einer Fete in das idyllische Tal zwischen Merscheid, Haag und Hunolstein ein. Mitarbeiter und Bewohner der Anlage freuen sich auf viele Gäste.

Behinderte und psychisch kranke Menschen nicht nur betreuen, sondern ständig mit ihnen zusammenleben? Eine Lebensform, die für viele sicher außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegt. Dennoch ist dieses außergewöhnliche Modell Realität und keineswegs zur Kurzlebigkeit verurteilt. Denn der Verein Dörrwies lebt diese Idee seit 20 Jahren erfolgreich vor.Anfangs war die therapeutische Gemeinschaft, diese selbstorganisierte Lebensform gesunder, behinderter und psychisch kranker Menschen auf Skepsis gestoßen. Manche hätten ihn für einen Sektenführer gehalten, seien aus Angst die erste Zeit nicht mehr an dem Gelände im Merscheider Tal zwischen Haag und Hunolstein vorbei gegangen, erinnert sich Vorstandsmitglied Gerhard Kern."Aber das hat sich gelegt, das hat sich völlig geändert", freut sich der Sozialtherapeut über die Entwicklung.Er und Ehefrau Waltraud, eine Sonderpädagogin, stellen mit Heilerziehungspflegerin Christine Kunert und Schreiner Uwe Andretta das Team der vier hauptamtlichen, ständig auf der Dörrwiese lebenden Mitarbeiter. Unterstützt werden sie seit den Anfängen von Hauswirtschafterin Justine Vogt - "unser Rückgrat", wie Kern sagt. Eine relativ kleine Gruppe, die sich ganzjährig täglich 24 Stunden permanent um derzeit acht, meist mehrfach behinderte, Bewohner kümmert.Die Betreuten kommen nicht nur in den Genuss einer größtmöglichen Selbstbestimmung, sondern sind selbst mit stimmberechtigt. Sofern sie nicht grundsätzlich durch einen richterlich bestellten Betreuer vertreten werden. Allerdings sind sie nicht die einzigen, die auf der Dörrwiese leben. Denn inzwischen sind Kinder der Mitarbeiter dort herangewachsen, die als Jugendliche oder junge Erwachsene einen ganz selbstverständlichen Umgang mit den Bewohnern pflegen.Neben der Betreuung und der täglichen Arbeit, die auf der Dörrwiese in Haus, Hof und Garten anfällt, organisiert der Verein gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung Vorträge und Diskussionsrunden zu gesellschafspolitischen Themen.Die Anerkennung, die sich das Projekt Dörrwiese inzwischen erarbeitet hat, zeigt sich an den Anfragen. Wie von Sozialhilfeträgern, die zum Beispiel für junge Menschen einen Ort suchen, an dem diese zu sich selbst finden können. "Es gibt da offensichtlich einen Bedarf, der nicht gedeckt ist", weiß Kern.Dabei denkt er an Arbeitslosigkeit und begrenzte Ausbildungsplätze - noch dazu in Verbindung mit falschen Freunden. Mittlerweile hätten sie festgestellt, dass sie in Deutschland mit einem Projekt wie "Dörrwies" die einzigen seien. Nur in den Ost-Bundesländern gebe es noch eine ähnliche Gruppe.

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