"Niemand wird ein Bein stellen"

BERLIN. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hat bei der gestrigen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein "Signal" für die Zulässigkeit von Neuwahlen erkannt. Die unechte Vertrauensfrage dürfe dennoch nicht in den "Instrumentenkasten der Tagespolitik" rutschen, so Beck gegenüber unserer Zeitung.

Welchen Eindruck haben Sie bei der Verhandlung in Karlsruhe gewonnen? Beck: Das Gericht orientiert sich im Wesentlichen an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1983. Das ist für mich ein Signal in Richtung Zulässigkeit von Neuwahlen. Es gibt sogar Richter, die offensichtlich das Urteil von damals für zu streng halten. Und es gibt jene, die deutlich gemacht haben, dass sie zumindest für die Zukunft mehr Präzisierung wollen. Alles in allem habe ich den Eindruck, Karlsruhe wird weder den Bundespräsidenten noch den Bundeskanzler dafür kritisieren, dass sich beide eng an die Vorgaben von 1983 gehalten haben. Die Kläger haben bemängelt, dass die Stimmung für Neuwahlen von oben verordnet worden sei, sprich vom Bundeskanzler. Wird das Gericht diesen Vorwurf berücksichtigen?Beck: Es ist sicherlich richtig, die Stimmung für Neuwahlen hat es vorher so nicht gegeben. Aber das kann und darf kein zentrales, verfassungsrechtliches Argument sein. Also dürfte der massive öffentliche Wunsch nach Neuwahlen auch keinen Einfluss haben. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?Beck: Politisch hat dies als Argument natürlich eine Rolle gespielt. Ich glaube aber nicht, dass das Verfassungsgericht diesen Druck zu einem Hauptkriterium seiner Entscheidung machen wird. Karlsruhe hat deutlich auf die hohen Hürden zur Auflösung des Parlaments hingewiesen. Könnte man dies nicht auch als Fingerzeig zugunsten der Kläger verstehen?Beck: Nein, so habe ich es nicht wahrgenommen. Mein Eindruck ist, Karlsruhe wird niemandem ein Bein stellen dafür, dass er sich an die Rechtssprechung von 1983 gehalten hat. Aber es könnte sein, dass die Richter für die Zukunft - und das fände ich ausdrücklich hilfreich - die Kriterien zur Auflösung des Parlamentes und zur Herbeiführung von Neuwahlen noch einmal präzisieren. Damit dieser Vorgang, also der Kanzler stellt mit einer unechten Vertrauensfrage die Voraussetzung für die Auflösung des Parlaments her, nicht in den Instrumentenkasten der Tagespolitik rutscht. Um dies zu verhindern, könnten Sie auch das Grundgesetz ändern. Hat sich nach der Verhandlung ihre Haltung dazu verändert? Beck: Eine Grundgesetzänderung gehört für mich nach wie vor nicht auf die Tagesordnung. Was passiert, wenn sich das Verfassungsgericht entgegen aller Erwartung doch gegen Neuwahlen ausspricht?Gibt es einen rot-grünen Plan B?Beck: Wenn wir am 18. September nicht wählen, dann wählen wir eben in einem Jahr.

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