Zwei, die sich mal richtig was trauen

Hisel/Brimingen · Es sind im ganzen Eifelkreis die ersten, die sich trauen - seit das Thema Kommunalreform wieder aktuell ist. Der geplante Zusammenschluss der Ortsgemeinden Hisel und Brimingen hat deshalb landesweit Modellcharakter. Die Fusion ist freiwillig. Der Anstoß dazu kam vom kleineren Partner Hisel mit seinen zehn Einwohnern.

 Können miteinander: Werner Altringer (Brimingen, links) und Peter Neises (Hisel). TV-Foto: Dagmar Schommer

Können miteinander: Werner Altringer (Brimingen, links) und Peter Neises (Hisel). TV-Foto: Dagmar Schommer

Foto: (e_bit )

Hisel/Brimingen. Malerisch liegt der kleine Ort Hisel mitten in den grünen Hügeln des Bitburger Landes. Fünf Buchstaben, sechs Häuser. Hisel zählt mit seinen zehn Einwohnern zu den drei kleinsten Gemeinden Deutschlands. Und Hisel ist eher alt.
Nicht nur, weil der Ort auf eine mehr als 1200-jährige Geschichte zurückblickt, sondern auch, was die Einwohner angeht. Es gibt keine Kinder, keine Jugendlichen, keine jungen Familien. "Der Altersschnitt liegt bei 65 Jahren", sagt Peter Neises, der seit Mai Bürgermeister ist. Vier Mitglieder plus Orts-Chef bilden den Gemeinderat. Jeder zweite Hiseler ist also kommunalpolitisch engagiert. Eigentlich eine top Quote, aber nicht genug.
Schulden und kein Land in Sicht


"Normalerweise bräuchten wir sechs Leute", sagt Neises. Er lebt gerne in Hisel: "Wenn man sich hier engagiert, kann man zusammen was bewegen. Die Leute packen gerne mit an. Jeder kennt jeden, man hilft sich." Aber dennoch muss sich was ändern, findet Neises. Und zwar dringend.
Die Schulden wachsen den Hiselern über den Kopf. Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei 2400 Euro. Zum Vergleich: In Bitburg sind es 1485 Euro pro Kopf - da gibt es auch etwas mehr Köpfe. Hisel ist weit davon entfernt, verschwenderisch zu leben. "Aber allein meine kleine Aufwandsentschädigung ist nicht gedeckt", erklärt Neises. Der Gemeindeanteil an den Einkommens- und Umsatzsteuern ist halt übersichtlich, obwohl man mit 500 Prozent einen recht hohen Hebesatz ansetzt. Hisel kann sich also seine Selbstständigkeit gar nicht leisten.
Das geht vielen Kleinstgemeinden so oder so ähnlich. Hier hat die SPD im Bitburger Land einen Vorstoß gewagt und eine Hochzeitsprämie für fusionswillige Ortsgemeinden ausgelobt. Der Verbandsgemeinderat hat beschlossen: pro Einwohner der fusionswilligen Orte gibt es eine Prämie von 100 Euro. Die Resonanz: bisher bescheiden. SPD-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Nico Steinbach vermutet, dass das auch daran liegt, weil es solch freiwillige Fusionen bisher so gut wie noch nie gab. Eine Ausnahme ist im Eifelkreis Burscheid, das 2003 nach Berkoth eingemeindet wurde. Aber das ist schon lange her. Steinbach hält deshalb den Gesetzesentwurf für die Fusion von Hisel und Brimingen für "wegweisend". Es sei eine "Blaupause" für andere Orte. Immerhin gibt es etliche kleine Dörfer.
Allein im Bitburger Land zählen 17 der 72 Gemeinden (siehe Extra) 100 oder weniger Einwohner. Hinzu kommt, dass es für Vereine zunehmend schwerer wird, Ehrenamtliche zu finden - ob nun im Vorstand vom Sportverein, im Musikverein oder in der Jugend- und Seniorenarbeit.
Vereine machen es vor


So wird längst über Ortsgrenzen hinweg kooperiert. Ob im Sportverein Eintracht Dist, in dem Dahlem, Idesheim, Sülm und Trimport zusammenarbeiten, oder Feuerwehreinheiten wie Karlshausen-Scheitenkorb-Sevenig und Uppershausen-Berkoth-Scheuern oder eben Dörfergemeinschaft von Baustert, Brimingen, Feilsdorf, Hisel, Hütterscheid und Mülbach.
Eben weil schon in der Dörfergemeinschaft und bei der Feuerwehr sich gemeinsam engagiert, war es für Neises naheliegend, mit Brimingen zu fusionieren. Auch, wenn das Gute oft nahe liegt, gibt es Haken und Ösen.
20 000 Euro gibt's vom Land


"Das Finanzielle", sagt Neises, müsse geregelt werden. Schließlich fragt man sich in Brimingen schon, warum man mit dem verschuldeten Hisel gemeinsame Sache machen soll. Hinzu kommt: "Irgendwie haben die Menschen Bedenken, dass die Identität des Dorfes verloren geht", sagt Neises. Schließlich soll die neue Gemeinde Brimingen heißen und Hisel wäre dann nur noch ein Straßenname.
Brimingen mit seinen 90 Einwohnern - davon 14 unter 16-Jährige - ist für Neises allererste Wahl. Und in Brimingen sieht man die Sache auch "grundsätzlich positiv", wie Ortsbürgermeister Werner Altringer bestätigt. Dennoch habe es zunächst viele Fragen gegeben, wie man das im Detail regeln will. "Das wird ja dann eine Kasse", sagt Altringer mit Blick auf die finanzielle Lage des Nachbarorts. Die Lösung: Das Land will - Paragraf 10 des Gesetzesentwurfs zur Fusion - die Gebietsänderung, wie das Ganze förmlich heißt, mit 20 000 Euro unterstützen. Hinzu kommen von der VG die 10 000 Euro Hochzeitsprämie. Damit stünde die neue Gemeinde so gut da, dass, so hofft Neises, in Hisel die Steuer-Hebesätze gesenkt werden könnten: "Davon würde jeder Einwohner direkt profitieren."Meinung

Das ist der Weg
Geht die Identität eines Dorfes bei einer Fusion mit dem Nachbarort verloren? Das Gegenteil ist der Fall. Das leben die Vereine, freiwillige Feuerwehren und soziale Gruppen doch längst vor. Die kooperieren schon heute über Ortsgrenzen hinweg - und retten dank dieser Zusammenarbeit doch genau das, was ein gutes Dorf ausmacht: Menschen, die sich für ihr Dorf engagieren - ob im Musikverein oder beim Senioren-Treff, der Feuerwehr oder in der Firmgruppe. Es hat sich eben eine Menge verändert in den vergangenen Jahrzehnten: Das Freizeitangebot ist größer, der Druck im Job auch und die Bereitschaft der Menschen, sich verbindlich Woche für Woche zu engagieren, nimmt stetig ab. Vieles geht eben nur noch in einem größeren Verbund. Hinzu kommt, dass Fusionen gerade für Kleinstgemeinden wirklich Sinn machen: weniger verwalten, mehr gestalten! Das Modell Brimingen-Hisel sollte Schule machen. d.schommer@volksfreund.deExtra

72 Ortsgemeinden gibt es in der Verbandsgemeinde (VG) Bitburger Land. Davon zählen 17 nur 100 oder weniger Einwohner (alle Zahlen von der Homepage der Verbandsgemeinde). Diese sind: 17 Keinst-Orte: Birtlingen (80 Einwohner), Brimingen (90), Enzen (50), Etteldorf (30), Feilsdorf (40), Halsdorf (100), Hamm (30), Hisel (10), Kyllburgweiler (100), Ließem (100), Niederweiler (100), Oberstedem (85), Olsdorf (100), Scharfbillig (95), Stockem (90), Usch (60) und Wettlingen (60). Weitere 35 Gemeinden - von Balesfeld bis Zendscheid - zählen weniger als 500 Einwohner. 20 Gemeinden im Bitburger Land sind größer als 500 Einwohner. Die größten Orte: Rittersdorf (1450 Einwohner), Dudeldorf (1300), Badem (1100), Bettingen (1100), Wolsfeld (950), Kyllburg (900), Neidenbach (900), Wissmannsdorf (860) und Oberkail (700). schoExtra

Nächste Schritte: Die Gemeinderäte am Dienstag, 27. Dezember, - um 17 Uhr in Brimingen und um 18.30 Uhr in Hisel. Dabei wird es auch Fragestunden für die Bürger geben. Voraussichtlich im zweiten Quartal 2017 wird der Landtag über das Fusionsgesetz entscheiden. Ziel ist es, die Ortsgemeinde Hisel zum 1. Januar 2018 aufzulösen und in das Gebiet der Ortsgemeinde Brimingen einzugliedern. Der neue Ortsgemeinderat und auch der neue Ortsbürgermeister sollen wohl erst im Dezember 2017 gewählt werden, damit möglichst viele Neubürger (wenn denn welche zuziehen) noch mitwählen können. Ob sie selbst sich dann noch mal zur Wahl stellen werden, verraten die beiden Amtsinhaber Werner Altringer und Peter Neises noch nicht. scho

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