Der Nachbar im Krieg

Trier · Theaterstück "Ich lege meine Heimat nach Rojava" hinterfragt die Motivation von freiwilligen Kämpfern im kurdisch-syrischen Krisengebiet.

 Freunde und Sympathisanten (von links: Juliane Lang, Philipp Lind, Matthias Renger) betrauern Freiheitskämpferin Ivana Hoffmann. Foto: ArtEO Photography

Freunde und Sympathisanten (von links: Juliane Lang, Philipp Lind, Matthias Renger) betrauern Freiheitskämpferin Ivana Hoffmann. Foto: ArtEO Photography

Foto: Mechthild Schneiders (mehi) ("TV-Upload Schneiders"

Trier "Ich will ein Teil der Revolution in Rojava sein." Lange habe sie mit sich gerungen, nun sei sie entschlossen zu gehen. Diese Zeilen schreibt Ivana Hoffmann an die Genossen ihres kommunistischen Vereins. Dann verlässt sie Duisburg, schließt sich den kurdischen Freiheitskämpfern im Nordosten Syriens an. Es wird ihr letzter Brief sein. Ivana ist die erste Deutsche, die im Kampf gegen den IS stirbt: am 7. März 2015 - mit 19 Jahren.

Felix ist Arzt, kümmert sich an und hinter der Front um Verletzte, flickt sie zusammen, schickt sie wieder in den Kampf. Denis (37), türkischer Kurde, leistet humanitäre Hilfe in der Grenzregion, in Syrien wie in der Türkei. Sie alle sind Deutsche, kommen aus Hamburg, Berlin, Saarbrücken oder, wie Denis, aus Trier.

Was treibt eine Schülerin, junge Frauen, junge Männer, dazu, das sichere Leben hier aufzugeben, in ein Krisengebiet zu fahren, die Waffe in die Hand zu nehmen, zu töten? Ist es Fanatismus oder Naivität?

Dieser Frage wollen sich Autor Matthias Naumann und Regisseur Johannes Wenzel vom Kollektiv Futur II Konjunktiv mit ihrem Stück "Ich lege meine Heimat nach Rojava" für die Sparte 0.1 des Theaters Trier nähern. Die beiden haben mit Kämpfern gesprochen, mit freiwilligen Helfern, mit Freunden und Sympathisanten.

Diese sind die Hauptfiguren, Gina Haller, Juliane Lang, Philipp Lind, Matthias Renger und Maria Walser ihre Medien. Mal repräsentieren sie abwechselnd Kämpfer und Helfer, mal die Freunde, mal sind sie - etwas zu vortragshafte - Erzähler.
Dabei nutzen sie vor allem Stimme und Mimik, kommen mit wenigen, kleinen Gesten aus. Zu keiner Zeit spielen sie sich in den Vordergrund; sie treten zurück, lassen Worte wirken - ein eindrucksvoller Effekt. Besonders ausdrucksstark: Haller und Walser. Besonders ergreifend: die Sprechchöre. Feste Rollen gibt es nicht, dafür permanenten Wechsel. Ob Mann, ob Frau - egal, ein Hinweis auf die auch emanzipatorische Revolution in Rojava. Dennoch tragen Haller und Lang Röcke. Die Kleidung (Katrin Wittig) ist alltäglich, sind doch die Freiwilligen unsere Nachbarn, leben mitten unter uns. Nur Walsers Pluderhose sticht hervor, erinnert an eine kurdische Tracht, der breite rote Bund ein Hinweis auf die kommunistische Ausrichtung der Freiheitsbewegung.

Die 80 Zuschauer sitzen direkt an der Spielfläche. Das schafft emotionale Nähe, stetige Präsenz. Zumal die Akteure ihre Gäste direkt ansprechen, miteinbinden. Überhaupt erinnert viel an Alltägliches. Die fünf Stühle, die das Bühnenbild (Katrin Wittig) ausmachen, könnten auch in einem Café am Viehmarkt stehen. Nicht umsonst haben die Macher das Stück in die Trier Galerie verlegt, einen Kosumtempel - kontrastreicher geht's kaum.

Auf drei Bildschirmen im Hintergrund: die Sänger des Opernchors und der kurdische Kinderchor Dengê Mezopotamya Saarbrücken. Ihre Lieder ziehen Vergleiche zwischen den internationalen Freiwilligen in Rojava und denen im spanischen Bürgerkrieg.

Ob nun Fanatismus oder Naivität bei den Kämpfern und Helfern der Auslöser ihres Einsatzes ist, muss der Zuschauer für sich selbst entscheiden. Eindeutige Antworten kann es nicht geben, wohl aber zeigt das Stück zahlreiche Beweggründe auf.

Weitere Termine: 30., 31. März, 1., 27., 29. April, jeweils 20 Uhr in der Trier-Galerie. Karten: Theaterkasse, www.theater-trier.de

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